Das Familiengericht Weilheim hat zugunsten von einem Schüler beschlossen, dass dieser keine Maske mehr tragen muss. Tichy’s Einblicke hat darüber berichtet. Hier die Entscheidung in Volltext.
Erneut ist eine Entscheidung auf der Basis von § 1666 BGB ergangen. Das Gericht hat eine Kindeswohlgefährdung durch die Masken bejaht. Es stützt sich auf eine gutachterliche Stellungnahme des Psychologen Prof. Dr. Christof Kuhbandner.
Zur Einholung des Gutachtens führt das Gericht aus: „Das Gericht hat ein Sachverständigengutachten zu der Frage erholt, welche Schäden physischer, psychischer und pädagogischer Art durch das Tragen von Masken insbesondere bei Kindern entstehen können.
Als Sachverständiger bestimmt und mit der Begutachtung beauftragt wurde Prof. Dr. Christof Kuhbandner, Institut für Experimentelle Psychologie, Lehrstuhl für Psychologie VI, Universität Regensburg, 93040 Regensburg.
Zwar ist eine formelle Beweiserhebung im Verfahren der einstweiligen Anordnung nicht vorgesehen und im Regelfall auch zu zeitaufwändig, da die Hinzuziehung von Sachverständigen üblicherweise mit einer im Verfahren der einstweiligen Anordnung nicht zu vertretenden Verzögerung verbunden ist. Vorliegend konnte das Gericht jedoch auf den Sachverständigen Kuhbandner zurückgreifen, der gerichtsbekannt bereits für das Amtsgericht Weimar unter dem Az. 9 F 147/21 ein entsprechende Gutachten erstellt hat und der dem Gericht eine Vorabfassung seines Gutachtens per mail zukommen ließ. Auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist die Aufklärung des Sachverhaltes und die Feststellung der für die Entscheidung relevanten Tatsachengrundlagen geboten, soweit dies dem Gericht im Rahmen der summarischen Überprüfung in angemessener Zeit möglich ist.“
Die Kindswohlgefährung sieht das Gericht unter folgenden Aspekten verwirklicht:
Gefährdung des seelischen Wohls der Kinder
Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Kuhbandner ist durch die Verpflichtung zum Tragen eine Mund-Nasen-Bedeckung an Schulen mit weitreichenden psychischen Beeinträchtigungen der Kinder bzw. mit weitreichenden negativen Effekten hinsichtlich deren Entwicklung und Heranreifung zu rechnen.
Der Gutachter zitiert eine aktuellen Überblicksarbeit zu den Nebenwirkungen des Maskentragens auf das emotionale Erleben und die soziale Kommunikation des Neurowissenschaftlers Manfred Spitzer, der zu dem Schluss kommt, dass das Masketragen zu Einschränkungen der nonverbalen Kommunikation, einer negativen Verzerrung des emotionalen Erlebens und einer Beeinträchtigung der Empathie führt (Bl. 24 des Gutachtens):
„Einschränkung der nonverbalen Kommunikation
Durch das Tragen von Masken wird die nonverbale Kommunikation extrem eingeschränkt, was insbesondere für kleinere Kinder einer der wichtigsten Kanäle für das Entstehen einer tragfähigen sozialen Beziehung darstellt. Weiterhin ist der Gesichtsausdruck einer der zentralen Signale, über welchen wir den eigenen emotionalen Zustand kommunizieren und den emotionalen Zustand des Gegenübers erschließen, was einer der fundamentalen Bausteine der Entwicklung einer hohen emotionalen und sozialen Kompetenz darstellt. Gerade Kinder müssen es erst noch lernen, diese Signale in den Gesichtern anderer zuverlässig zu deuten.
Negative Verzerrung des emotionalen Erlebens
Hinzu kommt ein weiterer negativer Effekt: Laut Studien wird Angst und Trauer eher aus den Augen abgelesen und Freude eher aus er Mundregion. Weiterhin werden ohne das Signal von der Mundregion emotionale Gesichtsausdrücke fehlgedeutet. Ein eigentlich fröhlicher Gesichtsausdruck wird häufig als ein skeptischer Gesichtsausdruck fehlgedeutet, ein überraschter Gesichtsausdruck wird oft als Ärger oder Trauer fehlgedeutet. Das Tragen von Masken könnte also dazu führen, dass man in den Gesichtern anderer seltener positive und verstärkt negative Emotionen wahrnimmt.
Beeinträchtigung der Empathie
Weiterhin wird die Empathie – das Mitfühlen des emotionalen Zustands des anderen – durch das Tragen von Masken beeinträchtigt. Wie Studien zeigen, nimmt man beim miteinander kommunizieren unbewusst den Gesichtsausdruck des Gegenübers ein und fühlt darüber den inneren Zustand des anderen mit, was durch das Tragen einer Maske verhindert wird.“
Weitere Gefahren sieht der Sachverständige durch einen negativen Effekt auf die Sprachübertragung, da höhere Frequenzen gedämpft würden und das visuelle Signal von den Lippen vollständig behindert werde, was sich insbesondere beeinträchtigend auf das Erlernen einer neuen Sprache auswirke.
Eine weitere, für das Gericht ohne weiteres nachvollziehbare Gefahr, sieht der Sachverständige im Auslösen und Aufrechterhalten von entwicklungspsychologisch unangemessenen Ängsten (Bl. 27 des Gutachtens):
„Bezogen auf die Corona-Maßnahmen an Grundschulen kommt das Problem hinzu, dass mit Maßnahmen wie dem Maskentragen oder dem Abstandhalten den Kindern permanent vermittelt, dass sowohl von anderen eine große Gefahr für sie selbst ausgeht, als auch von ihnen selbst für andere. Damit können Ängste und Schuldgefühle einhergehen, mit welchen ein Kind aufgrund seiner entwicklungsbezogenen Unreife nicht umgehen kann. Ist das der Fall, entwickeln sich Angststörungen, welche das Kind in seiner Entwicklung beeinträchtigen.
Länger anhaltende Angst wirkt sich auf verschiedenen Ebenen der Psyche problematisch aus. Die Gedanken beginnen beispielsweise um das angstbesetzte Ereignis zu kreisen, so dass das Kind sich nicht mehr auf andere Dinge konzentrieren kann. Auf der Ebene der Motivation wird das vermeidungsbezogene Verhaltenssystem chronisch aktiviert, was dazu führt, dass das Kind nicht mehr Dinge anstrebt, welche es erreichen möchte, sondern die Welt zunehmend durch die Brille möglicher drohender Ereignisse betrachtet, welche es vermeiden möchte. Die Konsequenz ist, dass das Kind in seiner Entwicklung zunehmend stehen bleibt und sich zunehmend zurückzieht. Im Extremfall kann das so weit gehen, dass eine Depression entwickelt wird. Dabei kann es auf der Ebene der Hirnentwicklung zu „biologischen Narben“ kommen, was sich in einer lebenslangen erhöhten Vulnerabilität für körperliche und psychosoziale Belastungssituationen niederschlagen kann [80].
Hinzu kommt noch ein weiterer wichtiger Punkt: Die Ängste, welche durch die Corona-Maßnahmen an Schulen ausgelöst werden können, beziehen sich nicht auf einen Aspekt, welcher für uns Menschen wenig Bedeutung hat. Bei einer Angst vor Schlangen ist es beispielsweise so, dass das nicht notwendigerweise stark beeinträchtigend sein muss, weil Schlangen kein relevanter Teil unseres menschlichen Lebens sind. Die Ängste, welche durch die Corona-Maßnahmen an Schulen ausgelöst werden können, betreffen dagegen einen der zentralsten Aspekte des menschlichen Lebens: den Kontakt mit anderen Menschen. Der Mensch ist genuin ein soziales Wesen, das Bedürfnis nach Nähe und guten sozialen Beziehungen ist ein menschliches Grundbedürfnis, genau wie Essen, Trinken oder Schlafen [81].
Mit den an Schulen ergriffenen Maßnahmen wie Maskentragen und Abstandhalten werden also soziale Grundbedürfnisse von Kindern verletzt. Kommt hier noch hinzu, dass Kinder eine Angst vor dem Gegenüber entwickeln, besteht die Gefahr, dass psychische Störungen im sozialen Bereich erworben werden und die soziale Gesundheit von Kindern – und damit die psychische Entwicklung insgesamt – nachhaltig beeinträchtigt wird“.
Zum PCR-Test schreibt das Gericht: „
Nach offiziellen Verlautbarungen der WHO ist der PCR-Test, auf dem die Inzidenzzahlen im wesentlichen beruhen, kein geeignetes Mittel, um eine Krankheit oder einen Ansteckungsverdacht festzustellen:
Die WHO schreibt hierzu in einer Notice for IVD-Users:
WHO reminds IVD users that disease prevalence alters the predictive value of test results; as disease prevalence decreases, the risk of false positive increases (2). This means that the probability that a person who has a positive result (SARS-CoV-2 detected) is truly infected with SARS-CoV-2 decreases as prevalence decreases, irrespective of the claimed specificity.
Most PCR assays are indicated as an aid for diagnosis, therefore, health care providers must consider any result in combination with timing of sampling, specimen type, assay specifics, clinical observations, patient history, confirmed status of any contacts, and epidemiological information.
Das heißt, dass die Zahl der falsch positiven Testresultate umgekehrt proportional zu den Symptomen der getesteten Personen ansteigt. Je weniger klinische Symptome die Personen aufweisen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Tests ein falschpositives Ergebnis liefern.
Das Gericht maßt sich hier nicht mehr Sachkunde an, als ihm zusteht, sondern hat versucht, sich die erforderliche Sachkunde mittels der zur Verfügung stehenden Quellen zu verschaffen, was grundsätzlich auch Aufgabe des Verordnungsgebers wäre. Letzendlich kann dies aber dahinstehen, da auch wenn man den Anwendungsbereich der Verordnung für eröffnet hält, § 14 Abs. 2 der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung jedenfalls der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht standhält.
Wenn man den Anwendungsbereich der Vorschrift für eröffnet und den Verordnungsgeber zum Handeln aufgrund des IfSG ermächtigt bzw. sogar verpflichtet sieht, hat dieser ein Ermessen hinsichtlich der Auswahl der anzuwendenden Schutzmaßnahmen.
Das Ermessen wird dadurch beschränkt, dass es sich um „notwendige“ Schutzmaßnahmen handeln muss, nämlich Maßnahmen, „soweit“ sie zur Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung der Krankheit „erforderlich“ sind. Weiterhin betont das Gesetz den zeitlichen Aspekt: Maßnahmen dürfen nur getroffen werden, „solange“ sie erforderlich sind. Insgesamt sind dem Ermessen damit durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 – juris Rn. 24 unter Bezugnahme auf die Gesetzgebungsmaterialien: Bundestag-Drs. 8/2468, S. 27). (Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 02. Februar 2021 – 3 EN 21/21 –, Rn. 31 – 32, juris).
Die Verwaltungsgerichte gehen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass dem Verordnungsgeber hinsichtlich der zu wählenden/gewählten Mittel ein Einschätzungsspielraum einzuräumen ist, soweit sich nicht andere Maßnahmen als gleich geeignet und weniger belastend darstellen (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30. März 2020 – 20 NE 20.632 –, juris, Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 02. Februar 2021 – 3 EN 21/21 –, juris).
Diese Einschätzungsprärogative geht jedoch nicht so weit, dass sie den Verordnungsgeber ermächtigt, im Bezug auf das angestrebte Ziel ungeeignete Maßnahmen zu ergreifen.“
In Bezug auf die Eignung der Masken zur Reduzierung des Virusgeschehens schliesst sich das Gericht der Einschätzung des Gutachters an. Es führt aus: „
Die Sachverständige kommt zu der Feststellung, dass alle nationalen und internationalen Gesundheitsbehörden, wenn auch zurückhaltend, entgegen der wissenschaftlich etablierten Standards der evidenzbasierten Medizin eine Einschätzung zum Tragen von Masken im öffentlichen Raum mit großer Tragweite abgegeben haben, die lediglich auf sog. plausiblen Überlegungen beruhe, was jedoch nicht ausreichen könne, um der Politik in einer solchen
Lage, d.h. für den Einsatz bei Millionen von Menschen, eine wissenschaftliche fundierte Entscheidungsbasis zu vermitteln.
Nicht überraschend sei es deshalb, dass die seit dem Frühjahr 2020 publizierte Fachliteratur keine Belege für das Tragen von Masken durch die Bevölkerung in der Öffentlichkeit gezeigt habe, auch wenn die Autoren mathematischer Schätzungen dies behauptetenn und die Autoren von Meinungsbeiträgen in z.B. narrativen Reviews dafür keine Daten vorlegen könnten. Zahlreiche Mediziner verschiedener Fachgebiete und Wissenschaftler aus anderen Disziplinen verwiesen gerne auf solche ‚positiven‘ Publikationen, und zwar insbesondere häufig auf Modellierungsstudien, die für Personen mit nicht besonders fundierten mathematischen Grundlagen (bei Medizinern nicht ganz selten) ohnehin nicht nachvollziehbar seien und damit abschreckend wirkten, aber vielleicht gerade dadurch nahelegten, dass es sich um besonders aussagefähige ‚Wissenschaft‘ handeln müsse.“
Auch hinsichtlich der Gefahren durch die nicht ordnungsgemäße Handhabung der Masken folgt das Gericht der Einschätzung des Gutachters. Im Detail: „Das Gericht schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen an. Wohl kaum eine andere Personengruppe als die Schüler muss derzeit über einen derart langen Zeitraum am Tag Masken tragen (falls überhaupt Unterricht stattfindet). Die Empfehlungen der WHO, vor dem Aufsetzen der Maske eine korrekte Handhygiene umzusetzen ist kaum möglich, weil schon vor dem Betreten der Schule, die Masken aufgesetzt werden müssen. Es ist während des Unterrichts nicht möglich, nach einem versehentlichen Berühren der Maske die Handhygiene durchzuführen. Wie die Sachverständige Kappstein ausgeführt hat, wird die Häufigkeit der Hand-Gesichtskontakte durch das Tragen der Masken noch erhöht. Die meisten Schüler bis zu einem Alter von 15 Jahren sind, wie der Sachverständige Kuhbandner ausführt nicht in der Lage, diese automatisierten Handlungsabläufe zu kontrollieren. Oft wird den Schülern bei Durchfeuchtung der Maske auch keine Wechselmaske zur Verfügung stehen bzw. werden Einmalmasken entgegen der Empfehlung wieder verwendet werden.“
Das Weilheimer Familiengericht sieht eine Unverhältnismäßigkeit der Zweck-Mittel-Relation: „Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten, dass hier Abwägung der kollidierenden Grundrechte stattzufinden hat. Die Verwaltungsgerichte haben hierzu stets angeführt, dass dem Schutz des Lebens Vorrang zu geben ist (beispielsweise Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30. März 2020 – 20 NE 20.632 –, juris).“
Es zitiert aus der Stellungnahme des Staatsrechtlicher Prof. Murswiek für den Rheinland-Pfälzischen Landtag:
„Der Staat hat eine grundrechtliche Pflicht zum Schutz von Leben und Gesundheit, und zwar auch zum Schutz vor Lebens- und Gesundheitsrisiken; sie ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2 GG. Die Schutzpflicht besteht freilich nicht absolut, sondern auf jeden Fall dürfen die zum Schutz eingesetzten Mittel nicht gegen andere Grundrechte verstoßen; bei Grundrechtskonflikten muss abgewogen werden. Jedenfalls hat der Schutz gegen Covid-19 in der Abwägung dann ein besonderes Gewicht, wenn der Staat jedenfalls dem Grunde nach zum Schutz verpflichtet ist. Deshalb ist in der Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit des Lockdown verschiedentlich das Argument vorgebracht worden, wegen der staatlichen Schutzpflicht für Leben und Gesundheit sei der Lockdown gerechtfertigt. Dieser Schluss ist nicht nur deshalb ein Kurzschluss, weil das Bestehen einer Schutzpflicht nicht von der Abwägung dispensiert. Er ist schon deshalb falsch, weil die Prämisse nicht stimmt. Denn eine strikte grundrechtliche Schutzpflicht gibt es nur gegenüber menschlichen Eingriffen in die Freiheit beziehungsweise gegen menschliche Beeinträchtigungen grundrechtlicher Schutzgüter. Die Freiheitsrechte schützen die Entschließungsfreiheit des Einzelnen inklusive der Freiheit, über die eigenen grundrechtlichen Schutzgüter zu verfügen; sie schützen mit anderen Worten die individuelle Autonomie. Diese wird in der abwehrrechtlichen Dimension gegen staatliche Eingriffe und in der Schutzpflichtdimension gegen Eingriffe Dritter geschützt – in jedem Fall also gegen menschliche Eingriffe. Durch Naturereignisse, auch durch Naturkatastrophen, können Schutzgüter gefährdet, verletzt und zerstört werden; aber man kann nicht sinnvoll behaupten, dass sie die individuelle Autonomie berühren. Die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen, die individuelle Autonomie, besteht denknotwendig immer im Rahmen nicht nur physikalischer Gesetzmäßigkeiten, sondern auch im Rahmen der durch unsere natürliche Umwelt vorgeformten Gegebenheiten. Eine Epidemie oder eine Pandemie ist deshalb kein Freiheitseingriff, gegen den grundrechtlich verbürgte Freiheitsrechte schützen können.
Das bedeutet nicht, dass der Staat nicht zum Schutz gegen Naturkatastrophen oder Epidemien verfassungsrechtlich verpflichtet ist. Es bedeutet nur, dass sich eine solche Verpflichtung nicht aus den Freiheitsrechten – hier: aus dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit – ergibt. Sie lässt sich staatstheoretisch aus dem fundamentalen Staatszweck ableiten, die Existenzgrundlagen der staatlich organisierten Gemeinschaft zu sichern. Und sie lässt sich verfassungsrechtlich auf das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) i.V.m. dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) stützen. Die sozialstaatliche Schutzpflicht unterscheidet sich hinsichtlich ihres Gegenstandes von der freiheitsrechtlichen Schutzpflicht dadurch, dass sie nicht die individuelle Autonomie, sondern die sozialen Existenzvoraussetzungen schützt. Und hinsichtlich des Gewährleistungsumfangs unterscheidet sie sich von der grundrechtlichen Schutzpflicht dadurch, dass der Staat hinsichtlich der Verwirklichung des Schutzes der faktischen Lebensvoraussetzungen einen viel größeren Gestaltungsspielraum hat als hinsichtlich des Schutzes gegen menschliche Eingriffe in Leben und Gesundheit. Während in Bezug auf menschliche Eingriffe die Pflicht zum Schutz grundsätzlich dann besteht, wenn das Risiko so groß ist, dass es rechtlich als „Gefahr“ zu qualifizieren ist, besteht im Hinblick auf allgemeine Lebensrisiken, zu denen die Risiken von Naturkatastrophen oder Epidemien gehören, ein großer Spielraum für die Bestimmung des anzustrebenden Schutzniveaus. Eine verfassungsrechtliche Handlungspflicht zum Schutz der Allgemeinheit gegen Covid-19 könnte deshalb nur dann angenommen werden, wenn die von der Epidemie ausgehenden Risiken derart groß wären, dass ohne staatliche Maßnahmen entweder die
Existenzgrundlagen des Gemeinwesens oder der Gesamtheit der in diesem Gemeinwesen organisierten Menschen auf dem Spiel stünden. Davon kann in Bezug auf Covid-19 keine Rede sein.
Nimmt man diese Ausführungen ernst, so kann ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit von Schulkindern niemals abstrakt durch die Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus gerechtfertigt werden. Die Abwägung findet nicht auf der Ebene des Schutzes von Leben und den tangierten Grundrechten des Kindes statt, sondern auf der Ebene des Schutzes der Grundrechte der Kinder gegenüber dem Anspruch des Staates, die Pandemie zum Schutze der Allgemeinheit einzudämmen.
Die auf dieser Ebene getroffenen Einschränkungen der Grundrechte der Kinder sind unverhältnismäßig in Bezug auf die Zweck-Mittel-Relation.“