Mittwoch, April 24, 2024
PolitikDer Vorfrühjahrsputz der Partei DieBasis

Der Vorfrühjahrsputz der Partei DieBasis

Ein Beitrag von Rechtsanwältin Viviane Fischer

Sonnenlicht ist das beste Desinfektionsmittel, wie es so schön heisst. Es hat die Kraft, all das Unschöne, das manche in dunkle Ecken verschoben haben und gerne dort belassen wollen, sichtbar zu machen. Bei der Basisdemokratischen Partei Deutschland dieBasis macht sich die parteiinterne Demokratiebewegung jetzt mit Macht an das Auskehren dieser dunklen Ecken. Da hat sich nämlich insbesondere seit Beginn der Tätigkeit des „Team-Vorstands“ im April 2023 erstaunlich viel angesammelt. Irgendwie ist der Beginn des Großreinemachens ein gradezu freudvoller Prozess, viele engagierte Menschen an der Basis der Basis wollen sich nicht nehmen lassen, was sie in und um die Partei in dreieinhalb oft schweren Jahren miteinander aufgebaut haben. Die Gegenwehr schweisst zusammen und die gemeinsame Not macht erneut erfinderisch.

Was genau ist da los in der Partei?

Das Augenfälligste: seit der neue Vorstand um den Deutsch-Esten André Sven Lingreen im Amt ist, wird das Geld mit beiden Händen aus dem sprichwörtlichen Fenster geworfen. Die meisten Mitglieder des Bundesvorstands entstammen dem „Team“, einer Gruppe, die gemeinsam zur Vorstandswahl angetreten war. Viele Teammitglieder sind ehemalige Landesvorstände. Man kennt sich und vertraut einander.

Beginnende Anzeichen von Verschwenderitits auf Bundesebene hatte ich noch in meiner damaligen Eigenschaft als Doppelspitze der Partei erkannt und ihre Auswirkungen auf die Partei abbremsen können. Die Planung für den Bundesparteitag Ende März/Anfang April 2023, die ein Vorstandskollege begleitete und für die ein Orga-Team eigentlich ein schlichtes Umsetzungskonzept erstellen sollte, hatte sich – vermutlich aus der (durchaus verständlichen) Begeisterung der Planenden für das Event heraus – verselbständigt. Für eine geplante Teilnehmerzahl von bis zu 2.000 Mitgliedern sollte eine liebevoll als „Glitzerbundesparteitag“ bezeichnete Veranstaltung ausgerichtet werden mit Spielereien wie einer 360 Grad-Kamera zum Selberfilmen während der Wahlpausen. Kostenpunkt des geplanten Events: € 450.000. Die Freigabe dieser Summe durch den Bundesvorstand sollte ohne finale Budgetplanung erfolgen und die Befugnis des Orga-Teams, eingesparte Budgetposten nach Belieben an anderer Stelle neu vergeben zu können, umfassen. Zum Vergleich: Der Parteitag von dieBasis in Hannover im Jahr 2020 hatte noch circa € 170.000 gekostet. In Nordrhein-Westfalen wurde ein Landesparteitag für € 10.000 realisiert. Bundesparteitage der Piraten für bis zu 2.000 Mitglieder haben teilweise unter € 10.000 gekostet.

Durch mein entschiedenes Einschreiten konnte ich die Kosten der weit vorangeschrittenen Planung noch auf circa € 200.000 senken, was mir von den Mitgliedern viel Zuspruch, von interessierten Kreise aber deutliche Zornesbekundungen eingebracht hat. Statt weiter auf die Kostenbremse zu treten, holte das neue Vorstands“Team“ bestehend aus Sven Lingreen, Skadi Helmert (Doppelspitze) und dem Schatzmeister Bernd Bremer den von mir vereitelten „Glitzerbundesparteitag“ erstaunlicherweise dann jedoch schon im Oktober 2023 mit einem weiteren Bundesparteitag im luxuriösen Bonner Martim-Hotel nach. Vermutliches Preisticket wohl circa € 600.000 (!). Die Aufstellungsversammlung für die Wahl zum Europaparlament mit unter 200 Teilnehmern dürfte die Partei weitere € 100.000 gekostet haben. Insgesamt wird die Partei damit für rein interne Wahlveranstaltungen im Jahr 2023 nahezu € 900.000 ausgegeben haben.

Wie das wohl die Mitglieder sehen, dass ihr Vorstand so mit ihrem Geld umgeht? Insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass zugleich ein Budget in sechsstelliger Höhe für den Wahlkampf eines Landesverbandes vom Bundesvorstand verweigert worden ist. Zum Vergleich: die Basis hat für das Jahr 2021 circa € 2.000.000 Parteienförderung erhalten (mögliche Strafzahlungen nicht in Abzug gebracht), fast die Hälfte davon ist nun in wenig besuchte Mitgliederversammlungen geflossen und nicht, wie ja von den allermeisten Mitgliedern gewünscht und gefordert, in die politische Arbeit.

Welche Motivationslage steht hinter solch üppig budgetierten Veranstaltungen? Passt ein derart verschwenderisch wirkendes Auftreten zu den Menschen, die sich in der Basis mit maßnahmenkritischen und basisdemokratischen Anliegen vereint haben? Geht es um Selbstdarstellungswünsche der Entscheidungsträger der Partei? Liegen hartnäckige Fehleinschätzungen hinsichtlich der Breitenwirkung derartiger interner Veranstaltungen vor? Oder profitiert womöglich jemand in oder um die Partei von diesen Events?

An diesem Wochenende, dem 20. und 21. Januar 2024, findet in Frankfurt eine weitere Veranstaltung statt, für die vom Bundesvorstands-„Team“ noch einmal circa € 100.000 freigegeben worden sind. Es handelt sich, man höre und staune, um die Wiederholung der Aufstellungsversammlung für die Kandidaten der Partei für die Wahl zum Europaparlament. Bei der ersten Aufstellungsversammlung am 11. und 12. November 2023 waren im norddeutschen Neumünster von den Mitgliedern eigentlich schon erfolgreich alle EU-Kandidaten gewählt worden. Die Rechtsanwältin Ellèn Hölzer hatte dabei den ersten Platz belegt.

Wie oft nach Wahlen zu beobachten, ist sogleich eine Wahlanfechtung durch ein Parteimitglied erklärt worden. Das eingeschaltete Bundesschiedsgericht der Partei teilte am 4. Januar 2024 jedoch mit, dass es den (einen) vorliegenden Antrag schon aus formalen Gründen als unzulässig ansehe. Bei summarischer Prüfung könne es zudem keine inhaltlich durchgreifenden Anfechtungsgründe erkennen. Das Bundesschiedsgericht erteilte dem Bundesvorstand folgenden Hinweis: „Nach derzeitiger Einschätzung des Bundesschiedsgerichts bestehen daher keine Bedenken, die in Neumünster beschlossene Liste bei der Bundeswahlleitung einzureichen“.

Also Entwarnung und alles frei auf dem Weg nach Europa? Wird eigentlich auch Zeit, da die Wahl zum Europaparlament ja schon im Mai 2024 stattfindet und bis dahin noch fleissig die Werbetrommel gerührt werden soll. Die Europawahl ist wichtig. Wenn redliche und kritisch hinterfragende Leute ins Parlament kommen, dann haben sie dort die Möglichkeit, Fragen zu stellen wie die im Corona-Ausschuss wiederholt gehörten Abgeordneten Christine Anderson, Cristian Terhes und Ivan Vilibor Sincic. Kommen dagegen Personen ins Amt, die diese Möglichkeiten nicht ergreifen wollen, die eventuell sogar Dinge tun oder sagen, die von den Mitgliedern der Basis nicht mitgetragen werden, kann sich die Aushängeschildfunktion eines Europaparlaments-Abgeordneten sogar negativ auf die Partei auswirken. Der Rechtsanwältin Ellèn Hölzer trauten die Mitglieder offensichtlich zu, ihre Interessen in Brüssel sachgerecht zu vertreten.

Rätselhafterweise führt der „Team“-Vorstand nun gleichwohl eine Neuwahl durch. Der vorgebrachte Grund ist, dass man noch demokratischer sein wolle, als es nach der Rechtslage eigentlich erforderlich sei. Da es offenbar bei irgendeinem Mitglied irgendeinen Zweifel an der Korrektheit der Wahl gäbe, wolle man der Kritik sozusagen zuvorkommen. Hm, und das um den Preis, dass weitere € 100.000 an Parteimitteln in die Hand genommen werden müssen? Warum hat der „Team“-Vorstand dann die Anfechtungen seiner eigenen Wahl im April 2023 so völlig links liegen gelassen? Auch die damals von diversen Antragstellern vorgebrachten Zweifel, ob bei der Schatzmeisterwahl am späteren Abend das nötige Quorum überhaupt noch erreicht worden ist, haben keine demokratische Saite bei Sven Lingreen und Kollegen zum Schwingen gebracht.

Rechtsanwalt Frank Grossenbach schreibt im öffentlichen Basiskanal „Die Basis diskutiert“: „Eine Wahlliste einfach zu sabotieren und in die Tonne zu treten, ist die völlige Missachtung all der Mitglieder, die sich auf den Weg nach Neumünster gemacht haben, um dort demokratisch die Wahlliste zu beschließen…. Den Leuten einzureden, mit der ersten Wahlliste sei die Demokratie verletzt worden … das ist einfach nur Heuchelei.“

Sven Lingreen teilt im gleichen Kanal mit: „Der Vorstand hat entschieden, die Aufstellungsversammlung zu wiederholen. Punkt.“

Jedoch: Die leichtfertige Durchführung einer Neuwahl birgt Gefahren. Die Existenz von zwei Wahllisten, von denen möglicherweise nicht klar sein wird, welche nun rechtssicher zustande gekommen ist, kann eine Wahlteilnahme verhindern. Das hat die AfD bereits einmal leidvoll in Bremen erfahren müssen, dort ist sie mit zwei Listen angetreten und dadurch letztlich von der Wahl ausgeschlossen worden. Vorliegend ist die Einladung zur Wahl mit einer Frist von lediglich 12 Tagen statt 14 Tagen möglicherweise satzungswidrig zu kurzfristig erfolgt, so dass die Zweitwahl bereits dadurch in ihrem Bestand bedroht sein könnte. Das Bundesschiedsgericht hat diese Sorge bereits am 18. Januar 2024 in einem weiteren Hinweisbeschluss geäußert.

Warum will man diese finanziellen und rechtlichen Klimmzüge überhaupt machen? Steckt mehr dahinter als angeblich übergroße Liebe zur Demokratie?

Das Vorstands-„Team“ hat ein besonderes Näheverhältnis zum EU-Wahl-Kandidaten und Ex-Grünen David Claudio Siber. Dieser ist bei der letzten Aufstellungsversammlung mit seiner Kandidatur gescheitert. David Claudio Siber versucht derzeit aktiv, Unterstützer für seine neuerliche Kandidatur zu finden, da es ihm offenbar ein sehr großes Anliegen ist, in Europa Fuss zu fassen. David Claudio Siber befindet sich aber auch in einem wirtschaftlichen Näheverhältnis zum Bundesvorsitzenden Sven Lingreen. Mit diesem ist er über die EVATON GbR verbunden. David Claudio Siber ist Mitglied dieser GbR und ebenso ist Sven Lingreen an der GbR beteiligt. Diesen Umstand hat David Claudia Siber einem Zeugen explizit mitgeteilt, weitere Stellungnahmen und noch zu veröffentlichende Unterlagen bestätigen dies.

Die EVATON GbR mit dem Schwerpunkt Politikberatung und Marketingdienstleistungen hat von verschiedenen Gliederungen der Partei für Marketingkampagnen wohl mindestens € 140.000 erhalten. Mit diesen Mitteln wurde auch die berühmt berüchtigte „Gurken“-Werbekampagne zur Bremenwahl erdacht, die die Spitzenkandidaten in Interviewsituationen mit einer – vielfältige Assoziationen weckenden – Gurke als Mikrophon zeigt. Die wenig ausgereift Kampagne bekam das, was sie möglicherweise auch verdiente: so gut wie keinen Erfolg bei der Wahl. Auch die EVATON-Kampagnen in Bayern und Brandenburg (dem Heimatland und früheren politischen Wirkungsort von Sven Lingreen als Brandenburger Landesvorstand) werfen inhaltlich Fragen auf. Es gibt zudem Zweifel, inwieweit eine Ausschreibung oder Prüfung anderer Angebote vor Auftragsvergabe erfolgt ist. Nach nur kurzer Geschäftstätigkeit von Februar bis Juni 2023 trat die EVATON-GbR nicht mehr werbend in Erscheinung. Ihre Referenzen – davon einige eigentlich Aufträge der Partei DieBasis – zieren jetzt die Webseite der neuen Firma IMAKON (Gründung wohl Juli 2023), die das frühere EVATON-Mitglied Anjum Werner nun als Einzelkauffrau leitet. Das EVATON-Mitglied David Claudio Siber ist bei der IMAKON Geschäftsführer und ein dritter EVATONite im Bunde – Holger Dählmann – wirkt als kreativer Kopf der IMAKON.

Die Webseite der EVATON GbR ist in im Webarchive nicht oder nicht mehr mit ihren Inhalten gefüllt aufzufinden. Auch dort findet sich nur ein Platzhalterbild „Website coming soon“. Es existieren aber Screenshots, die David Claudio Siber, Holger Dählmann, Annum Werner und Raute Hesse als Teammitglieder zeigen.

Wie kommt es, dass eine Firma derartige Auftragsvolumina von der Partei erhält und gesellschaftsrechtliche und/oder finanzielle Verflechtungen von Entscheidungsträgern der Partei mit Auftragnehmern nicht bekannt gemacht worden sind? In den öffentlichen Vorstandssitzungen sind diese Umstände nicht besprochen worden. Aus meiner Zeit im Vorstand kann ich bestätigen, dass diese Zusammenhänge auch innerhalb des Vorstands nicht thematisiert worden sind.

Kann es sein, dass hier sachfremde Erwägungen zum Ansetzen einer Neuwahl geführt haben, die der Partei Mittel für ihre politische Arbeit entziehen, möglicherweise Rechtsunsicherheiten heraufbeschwört und letztlich geeignet ist, eine Kandidatur der Partei dieBasis an der Wahl zum Europaparlament gänzlich zu verhindern? Es besteht erheblicher Aufklärungsbedarf.

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