Freitag, Dezember 27, 2024
LänderberichteDeutschlandÄpfel, Birnen, Nazis und weiße Rosen

Äpfel, Birnen, Nazis und weiße Rosen

Kleiner Versuch über den Vergleich von Matthias Burchardt

Verharmlost die Demokratiebewegung die Gräueltaten im dritten Reich, wenn sie dazu auffordert, in Weimar weiße Rosen vor einem Gericht niederzulegen? Erschleicht sie sich Legitimation durch Dramatisierung, wenn sie den Widerstand gegen den Kommunismus oder den Hitlerfaschismus als Referenzpunkt des eigenen Handelns heranzieht? Dahinter verbirgt sich die grundsätzliche Frage nach der Möglichkeit und Zulässigkeit von Vergleichen.

Zur Logik des Vergleichens

Schon der Volksmund weiß, dass ›jeder Vergleich hinkt‹ und dass es schwierig sein kann, ›Äpfel mit Birnen‹ zu vergleichen. Der Grund dafür liegt in dem Umstand, dass Vergleiche grundsätzlich immer Verschiedenes miteinander in eine Beziehung bringen, denn nicht einmal Eier gleichen sich ›wie ein Ei dem anderen‹. Allerdings kann bei aller Unterschiedlichkeit auch Gemeinsames ausgemacht werden, Aspekte, in denen sich die Dinge oder Sachverhalte ähneln. Die Philosophie spricht vom tertium comparationis, von der Vergleichshinsicht, welche Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten zum Vorschein bringt. Denn tatsächlich kann man auch Äpfel und Birnen mit einander vergleichen, schließlich beide sind Obst und teilen damit eine Eigenschaft, bei allem worin sie sich unterscheiden. Fazit: Der Vergleich geht in die Irre, wenn er gleichsetzt, weil er dann die Differenzen übersieht. Wer dagegen auf den Vergleich verzichtet, dem geraten die Ähnlichkeiten aus dem Blick. Selbst die Feststellung der Unvergleichbarkeit kann nur derjenige treffen, der zuvor den Versuch des Vergleichs unternommen hat. Dies gilt für Früchte und Pflanzen ebenso wie historische Konstellationen.

Zur Ethik des Vergleichs

Eine Ausnahme davon bildet scheinbar der Nazivergleich, der aus guten Gründen mit einer hohen Sensibilität belegt ist, denn schließlich kann dieser Vergleich in der Absicht einer verharmlosenden Relativierung von Holocaust und Totalitarismus genutzt werden. Er kann aber auch dazu beitragen, das historische Vermächtnis der Demokratie zu verteidigen, dort wo sich Tendenzen autoritärer Herrschaft, menschenfeindlicher Gesinnung, Untergrabung von rechtsstaatlichen Prinzipien, Einschränkungen von Grundrechten oder willkürliche Angriffe auf die offene Gesellschaft zeigen. Wie sollen wir aus der Geschichte lernen und das Geschenk der Demokratie und des Grundgesetzes verteidigen, wenn wir nicht in heuristischer Weise (also in kritischer Prüfung), Vergleiche anstellen? Es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass der Verfassungsschutz mit Blick auf Teile der Demokratiebewegung das Delikt der »verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates« konstruiert. Nur weil Bürger den Sinn von Maßnahmen, Verordnungen und Gesetzen in Frage stellen, wird doch das Prinzip der Rechtstaatlichkeit selbst nicht verworfen. Im Gegenteil: Die Kritik greift doch bejahend auf den Geist der Menschenrechte und den Wortlaut des Grundgesetzes zurück, um nach der Legitimität des Regierungshandelns zu fragen. Was ist aber von einer Regierung zu halten, die ihre Kritiker inkriminiert, um sich selbst vor Argumenten und Gegenauffassungen in Sachfragen zu immunisieren?

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