Ein Beitrag von Rechtsanwältin Viviane Fischer
Ein Karlsruher Sozialrichter rechnet in seinem 138 Seiten starken Urteil vom 6. Juli 2023 öffentlich mit seinen Kollegen ab: seine Richtervorlage ans Bundesverfassungsgericht zur Frage der Verfassungsgemässheit von Corona-Regelungen im Sozialgesetzbuch II sei blockiert und eine diesbezügliche Pressemitteilung zensiert worden. Man habe ihm zudem im Rahmen von Dienstaufsichtsverfahren, die als Reaktion auf seine unabhängige Rechtsprechung angestossenen worden seien, gedroht. Ein möglicher Grund: Die Richterkollegen hätten am 29. September 2020 im Gerichtsgebäude eine illegale Corona-Party ohne Masken und ohne Abstand gefeiert mit Billigung der Landesjustizverwaltung Baden-Württemberg. Die von dieser Party existierenden Beweisfotos hätten dem Vorlagebeschluss ans Bundesverfassungsgericht beigelegen und hätten unterdrückt werden sollen.
Der Richter schreibt: „Von einer derart zum kollektiven Rechtsbruch von Seiten der Landesjustizverwaltung Baden-Württemberg angestifteten Richterschaft am Sozialgericht Karlsruhe war anlässlich der veränderten Lebensbedingungen unter Corona kein beherztes Eintreten für Recht und Gesetz zu erwarten.“
Weiter führt er aus: „Eine Steuerung der Berufsrichter ermöglicht das Grundgesetz faktisch, indem es verfassungsrechtlich nur die funktionale richterliche Unabhängigkeit vorgibt….. Die Einbruchstellen dieses exekutiven Einflusses auf die Judikative sind mit dem bekannten Satz von Gerhard Adolf Wilhelm Leonhardt, von 1867 bis 1879 preußischer Justizminister, auf den Punkt gebracht: „Solange ich über die Beförderungen bestimmen kann, bin ich gerne bereit, den Richtern ihre sogenannte Unabhängigkeit zu konzedieren.“
Inhaltlich ging es bei dem zu entscheiden Sachverhalt um die Frage, ob eine Bürgergeld-Empfängerin einen Anspruch auf laufende Zuzahlungen für ihren massnahmenbedingten zusätzlichen Hygienebedarf an FFP2-Masken haben könnte.
Der Richter wollte die betreffenden gesetzlichen Regelungen dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung vorlegen, weil er davon ausging, dass den Bürgergeldempfängern zu wenig Geld zur Verfügung stehen könnte. Die Einreichung der Richtrevorlage gelang, wie der Richter in seinem Urteil ausführt, allerdings nur unter Überwindung einer Vielzahl von Hürden. Es habe wiederholt Versuche der Einschüchterung und Behinderung seiner Arbeit bis hin zur Zensur gegeben.
Der Richter schreibt: „Die Justizverwaltung des Landes Baden-Württemberg bewirkte nämlich durch verschiedentliche Maßnahmen dermaßen eine Einschüchterung des Kammervorsitzenden der 12. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe, dass dieser sich … einstweilen monatelang gestört sah, eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht vorzubereiten…. Die Einschüchterung beruhte zunächst auf der seitens einer (abstrakt) weisungsgebundenen gerichtszugehörigen Untergebenen der Justizverwaltung des Landes Baden-Württemberg veranlassten und mutmaßlich verfassungswidrigen Zensur. Diese Zensur betraf die vom Kammervorsitzenden entworfene sozialgerichtliche Medieninformation über die Eilentscheidung seiner 12. Kammer …. Die Zensur wurde mit dem vorgeblich fehlenden öffentlichen Interesse an einer medialen Berichterstattung begründet. Gegen diese Zensur remonstrierte der Kläger zwar noch am selben Tag. Die Justizverwaltung des Landes Baden-Württemberg hat hierauf bis zuletzt – binnen 28 Monaten – nicht geantwortet. Die Einschüchterung und Hinderung des richterlichen Vorsitzenden der 12. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe vollzog sich sodann im Wege einer inzwischen … wegen ihrer Rechtswidrigkeit (noch nicht rechtskräftig) aufgehobenen richterdienstlichen Beurteilung, in denen die persönliche Eignung zum Richter am Sozialgericht durch (abstrakt) weisungsgebundene Mitglieder der Justizverwaltung des Landes Baden-Württemberg auch damit begründet worden war, dass sich der Kammervorsitzende anlässlich der Zensur der Medieninformation der Entscheidung seiner Kammer … konfrontativ gezeigt habe.“
Auch über ein Disziplinarverfahren habe man versucht, den Richter einzuschüchtern: „Schließlich vollzog sich die Einschüchterung bzw. Störung des richterlichen Vorsitzenden der 12. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe … im Wege der Einleitung und Verschleppung eines Disziplinarverfahrens. Dessen Einstellung verschleppte das Justizministerium des Landes Baden-Württemberg für sechs Monate, nachdem die dem Kammervorsitzenden zahlreich wahrheitswidrig angelasteten Tatsachen bereits eingehend durch ihn wiederlegt worden waren.“
Trotz des auf ihn ausgeübten Drucks stellte der Richter am 30. Januar 2022 seinen Vorlagenbeschluss fertig und übergab ihn zur Zustellung ans Bundesverfassungsgericht der Geschäftsstelle. „Zur Begründung der voraussichtlichen Verfassungswidrigkeit von § 70 Satz 1 SGB II hieß es im Vorlagebeschluss vom 30.01.2022 unter anderem, der Gesetzgeber habe es zur Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie nicht bei einer „situationsangepassten Anwendung des vorhandenen Instrumentariums“ belassen dürfen. Exemplarisch zeige sich nämlich das Ausmaß der fehlenden Verfassungs-Compliance der Sozialgerichtsbarkeit an einer illegalen Corona-Party. Diese habe auf Wunsch eines gerichtszugehörigen Mitgliedes der Landesjustizverwaltung in Anwesenheit namhafter Justizprominenz am 29.09.2020 in allgemeiner Kenntnis ihrer Illegalität stattgefunden. Als Beweismittel hierfür wurden auch Fotos der Gäste der Corona-Party zur Prozessakte genommen.“
Auf der Geschäftsstelle geschah laut Darstellung des Richters nun Erstaunliches:“Jedoch vermochte der Kammervorsitzende der 12. Kammer anlässlich des Beginns seiner knapp einjährigen Elternzeit am Folgetag (31.01.2022) es nicht zu verhindern, dass ein gerichtszugehöriges (abstrakt) weisungsgebundenes Mitglied der Justizverwaltung des Landes Baden-Württemberg die Urkundsbeamtin der 12. Kammer am 31.01.2022 anwies, seinen richterlichen Begleitverfügungen zum Vorlagebeschluss zuwiderzuhandeln. Entgegen der elektronisch signierten richterlichen Verfügung des zuständigen Vorsitzenden der 12. Kammer vom 30.01.2022 stellte die Urkundsbeamtin der 12. Kammer deshalb den Vorlagebeschluss nicht an das Bundesverfassungsgericht und auch nicht an die Verfahrensbeteiligten zu. Ebenso veröffentlichte die hierfür örtlich zuständige, der Justizverwaltung des Landes Baden-Württemberg unterstehende Amtsinspektorin am Sozialgericht Karlsruhe entgegen der diesbezüglich richterlichen Verfügung des Kammervorsitzenden vom 30.01.2022 den Vorlagebeschluss vom selben Tag weisungsgemäß auch nicht in den juristischen Entscheidungsdatenbanken. Noch am 31.01.2022 wiesen zwei weitere (abstrakt) weisungsgebundene gerichtszugehörige Mitglieder der Justizverwaltung des Landes Baden-Württemberg den richterlichen Stellvertreter des sich in Elternzeit befindlichen eigentlichen Kammervorsitzenden der 12. Kammer im Rahmen einer dienstlichen Besprechung an, eine gerichtsinterne, datenschutzrechtliche Überprüfung der Prozessakte des Klageverfahrens S 12 AS 909/21 wegen der darin enthaltenden Fotografien von der Corona-Party durchzuführen. Dieses in der Gerichtshistorie des Sozialgerichts Karlsruhe (soweit ersichtlich) sowohl erstmalig als auch letztmalig durchgeführte datenschutzrechtliche Sonderverfahren führte dazu, dass sich der stellvertretende Berufsrichter veranlasst sah, den mangels Bekanntgabe noch nicht rechtswirksam gewordenen Vorlagebeschluss vom 30.01.2022 einer eigenen Rechtmäßigkeitskontrolle zu unterziehen. Diese Ausgangskontrolle der richterlichen Vorlageentscheidung nach Art. 100 GG ergab, dass der Vorlagebeschluss der 12. Kammer vom 30.01.2022 nach Auffassung des Stellvertreters nicht ohne Kammerbesetzung bzw. Mitwirkung ehrenamtlicher Richter außerhalb einer mündlichen Verhandlung hätte ergehen dürfen. Hierbei prüfte der Stellvertreter indes nicht, ob dies ausnahmsweise anders zu bewerten sein könnte in Fällen, in denen rechtzeitige Ermittlungen, Ladungen und die Durchführung eines Kammertermins zur mündlichen Verhandlung und Entscheidung möglicherweise seitens der Justizverwaltung durch den Missbrauch ihrer Organisationsgewalt, ihres Beurteilungswesens und ihrer Disziplinarhoheit vereitelt worden waren im Wege der gezielten Einschüchterung eines vorlagepflichtigen Berufsrichters.“
Am 9. Februar 2022 wurde der Rechtsstreit dann von einem fünfköpfigen Gremium auf einen anderen Richter übertragen. Einige Zeit später trat dann aber in Fortgang des Geschehens eine neuerliche Zuständigkeit des ursprünglich zuständigen Richters ein, die er zum Anlass nahm, seinen Vorlagebeschluss nun beim Bundesverfassungsgericht einzureichen und das hier gegenständliche Urteil zu veröffentlichen.
Der Richter beschreibt die Motivationslage der Richterkollegen in seinem aktuellen Urteil wie folgt: „Demgemäß leugneten die hier für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Berufsrichter den evidenten COVID-19-Mehrbedarf so wie ihre Kollegen es bundesweit taten. Anstatt die Mühen von Vorlagebeschlüssen und unzählbaren Folgeentscheidungen zur individuellen Bemessung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf sich zu nehmen, beließen sie es im Zusammenhang mit Pandemie und Inflation auf Geheiß des Vizepräsidenten am Bundessozialgericht a.D. Voelzke bei einer „situationsangepassten Anwendung des vorhandenen Instrumentariums“. Dies entsprach dem individualrichterlichen Interesse an der Vorbeugung eines kaum mehr zu bewältigenden individuellen richterlichen Geschäftsanfalls. Diese Praxis korrespondierte zudem mit dem jedem Berufsrichter aufgrund des sog. „Erledigungsdrucks“ bewusstseinsdominanten haushaltspolitischen Interesses des Justizministeriums an der Optimierung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses zwischen Justizpersonalkosten und Justizgewährleistung (auf einem im Existenzsicherungsrecht unter Pandemiebedingungen nach Maßgabe der jeweiligen Haushaltsgesetzgeber der Länder praktisch nicht mehr rechtsstaatlichem Niveau).“
Dann kommt der Richter auf die Geschehnisse auf der illegalen Corona-Party zu sprechen: „Eingedenk all dessen werden hier zum Zwecke der Illustration der Steuerbarkeit der Sozialgerichtsbarkeit exemplarisch die Geschehnisse rund um die illegale Corona-Party des Sozialgerichts Karlsruhe am 29.09.2020 dargestellt. Hieran lässt sich nämlich demonstrierten, dass Loyalität und Linientreue der hiesigen Berufsrichter gegenüber offen rechtswidriger Wünsche gerichtszugehöriger Mitglieder der Landesjustizverwaltung kollektiv als vorrangig angesehen werden, weshalb im Zweifel verfassungstheoretische richterliche Bindungen an Recht und Gesetz berufspraktisch zurückstehen müssen.
Zu einer Feierlichkeit in Präsenz am 29.09.2020 hatte ein (abstrakt weisungsgebundenes) gerichtszugehöriges Mitglied der Justizverwaltung mittels zweier E-Mails vom 22.07.2020 bzw. 01.09.2020 einberufen trotz des damaligen exponentiellen Anstiegs der Corona-Neuinfektionen: Hierbei lud dasselbe Gerichts- und Justizverwaltungsmitglied alle aktuellen und einige ehemalige Gerichtsbediensteten sowie Gäste für den 29.09.2020 in das Dienstgebäude des Sozialgerichts Karlsruhe ein, um bei großzügiger Verköstigung einen gegebenen Anlass zu feiern.
Nicht einhalten wollte das einladende gerichtszugehörige Mitglied der Justizverwaltung indessen der Partylaune abträgliche Hygienevorschriften der Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg vom 23. Juni 2020 (GBl. S. 483) in der Fassung ihrer Änderungsverordnungen vom 28.07.2020 und 22.09.2020. Die diesbezügliche Notwendigkeit hätte sich ihm aufdrängen müssen. Denn auch an ihn war eine E-Mail eines anderen gerichtszugehörigen Mitglieds der Justizverwaltung vom Folgetag (02.09.2020) gerichtet gewesen. Mit Letzterer war nämlich der für den 25.09.2020 ohne Justizprominenz geplante Betriebsausflug des Sozialgerichts Karlsruhe abgesagt worden. Diese Absage vom 02.09.2020 war damit begründet worden, dass der Betriebsausflug in Gestalt einer Wanderung unter freiem Himmel wegen der coronabedingt verschärften Hygieneschutzvorschriften nicht durchgeführt werden dürfe. Dies sei trotz seiner pandemiebedingt bereits vorab abgewandelten Form der Fall.
Obwohl diese Absage des Betriebsausflugs an alle gerichtszugehörigen Bediensteten des richterlichen und nicht richterlichen Dienstes des Sozialgerichts Karlsruhe versandt worden war, sah sich das andere (abstrakt weisungsgebundene) gerichtszugehörige Mitglied der Justizverwaltung nicht von selbst veranlasst, die von ihm für den 29.09.2020 geplante Corona-Party abzusagen, obwohl sie in geschlossenen Räumen noch vier Tage nach dem bereits abgesagten Betriebsausflug stattfinden sollte, während die Zahlen für Neuinfektionen mit COVID-19 bundesweit Tag für Tag rasant anstiegen.
Anlässlich dieser fehlenden Compliance des (abstrakt weisungsgebundenen) gerichtszugehörigen Mitglied der Justizverwaltung erläuterte ihm ein Berufsrichter des Sozialgerichts Karlsruhe per E-Mail vom 03.09.2020 wie folgt die bußgeldbewährte Rechtswidrigkeit der einberufenen Corona-Party. Zugleich wies er ihn auf die potentiell fatale Außenwirkung des eklatanten Rechtsbruchs hin, welche aufgrund der Absage des Betriebsausflugs vom Vortag ohnehin jedem Gerichtszugehörigen bereits positiv bekannt war:
„Sehr XXXXXX XXXXXX XXXXXX,,
anlässlich XXXXXX XXXXXX haben Sie vorgestern unter Hinweis auf Ihr Amt und Ihre Dienststelle über die beiden E-Mail-Verteiler unserer Dienststelle einige vormals und alle aktuell hier richterlich oder nichtrichterlich Bediensteten eingeladen, um am 29.09.2020 während der Dienstzeit ggfs. im engen Obergeschoss unseres Dienstgebäudes eine dienstliche Veranstaltung abzuhalten (siehe unten). Aufmerksame Kollegen haben mich dankenswerter Weise darauf hingewiesen, dass eine zeitgleich terminierte Sitzung der XXXXXX. Kammer eine würdevollere XXXXXX im Erdgeschoss verhindert. Es heißt, ich möge die Ladungen rückgängig machen, auch wenn sie am 07.07.2021 und damit lange vor Ihrer Terminankündigung versandt wurden. Dies sei trotz der überlangen Verfahrensdauer der geladenen Altfälle und ihrer Corona-bedingten vormaligen Terminaufhebung ratsam.
Ich respektiere und unterstütze den sympathischen Wunsch von Ihnen und vielen Kollegen, XXXXXX XXXXXX XXXXXX XXXXXX XXXXXX XXXXXX unter Weggefährten feierlich zu begehen.
Gleichwohl hege ich Zweifel, ob XXXXXX XXXXXX aus rechtlichen Gründen nicht einen privaten Rahmen finden muss. Die Corona-Verordnung BW (CoronaVO) stellt recht hohe Anforderungen. Die für Veranstaltungen Anfang August 2020 in Kraft getretenen Lockerungen (kein Hygienekonzept bei Veranstaltungen bis 100 Personen) gelten nur für private Veranstaltungen. Für Ihre dienstliche XXXXXX wäre hingegen das komplette Programm erforderlich. Nötig wären neben der Erstellung eines Hygienekonzepts (vgl. § 5 CoronaVO), die Durchführung einer Datenerhebung und Speicherung nach Maßgabe des § 6 CoronaVO und die Einhaltung der besonderen Arbeitsschutzanforderungen nach § 8 CoronaVO.
Vor allem aber wären die Hygieneanforderungen nach § 4 CoronaVO einzuhalten. Mit der absehbaren Teilnehmerzahl (bis zu ca. 70 Personen) dürfte sich eine dienstliche Veranstaltung aber nicht im kleinen Innenhof durchführen lassen. Erst recht könnte sie nicht in geschlossenen Räumen innerhalb des Gerichtsgebäudes stattfinden. Die Durchführung verstieße gegen geltendes Recht und gefährdete Leib und Leben der XXXXXX XXXXXX Bediensteten. Schlimmstenfalls müssten alle Bediensteten zeitweise in Quarantäne und das Sozialgericht Karlsruhe wäre zu schließen. Die Außenwirkung wäre, dass wir am Gericht aufs Recht pfeifen, wenn’s uns ums Feiern geht.
Aus eben diesen Gründen hat XXXXXX XXXXXX XXXXXX XXXXXX Karlsruhe gestern den Betriebsausflug am 25.09.2020 abgesagt. Da Sie hingegen eine Verlegung Ihrer XXXXXX wohl nicht in Betracht ziehen, halte ich es für geboten, meinerseits die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung am 29.09.2020 im Rahmen meiner Möglichkeiten zu mindern. Auch aus Rücksicht auf die Verfahrensbeteiligten und Ehrenamtlichen Richter habe ich deshalb eben die Verlegung der Sitzung der XXXXXX. Kammer auf den 25.11.2020 veranlasst.
Nachdem die gesamte Gerichtsverwaltung die Vorgänge besser kennt als ich, sehe ich es aber nicht als meine Aufgabe an, das Gesundheitsamt von Ihren Plänen in Kenntnis zu setzen. Ich werde das unterlassen, da ich nur mit Aufgaben der Rechtsprechung und nicht mit solchen der Justizverwaltung betraut bin.
Aus Kollegialität möchte ich Sie aber abschließend darauf hinweisen, dass nach § 73 Abs. 2 IfSG i.V.m. § 19 CoronaVO die Verhängung eines Bußgeldes in Höhe von bis zu 25.000,- € droht.“
In seinem Urteil führt der Richter weiter aus: „Am 29.09.2020 – d.h. dem Tag der illegalen Corona-Party am Sozialgericht Karlsruhe – verbreiteten Presse, Rundfunk und sonstige (Internet-) Medien die vehemente Warnung der Bundeskanzlerin vor dem exponentiellen Anstieg der Neuinfektionen. Die BILD-Zeitung machte eben diese Warnung noch am Morgen der illegalen Corona-Party des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29.09.2020 zum Gegenstand der Haupt-Schlagzeile auf ihrer Titelseite. Die BILD-Zeitung widmete derselben Warnung auch eine sehr umfangreiche Bildberichterstattung auf ihrer Seite 2. Zudem mahnte die BILD-Zeitung mit einem „Gast-Kommentar“ unter der Schlagzeile „Totales Behördenversagen“ an: „Wenn jetzt die Infektionszahlen steigen, dann ist das die Folge von Behördenuntätigkeit“. Ferner titelte sie unter der Rubrik „Post von Wagner“: „Der Tod feiert mit“ und kommentierte eklatante Rechtsbrüche gegen Hygieneschutzvorschriften der Corona-Verordnungen reißerisch. Auf ihrer 3. Seite berichtete die BILD- Zeitung unter den beiden Schlagzeilen „Politiker fordern – Endlich härter durchgreifen gegen Party- Egoisten“ sowie „Corona-Alarm nach Geburtstagsfeier!“ fast ganzseitig über derartige Rechtsverstöße. Hierbei druckte die BILD-Zeitung drei sehr große Farbfotos ab mit folgenden drei Bildunterschriften:
„Nach einer Geburtstagsfeier in Bielefeld mussten 950 Menschen in Quarantäne“;
„Jugendliche feierten am Wochenende in einer Berliner U-Bahn zu lauter Musik, tanzten dicht an dicht, größtenteils ohne Maske“;
„SPD-Mitglieder im Kölner „Stapelhaus“ bei einer Party zur Oberbürgermeisterwahl am Sonntag“.
Ein Berufsrichter am Sozialgericht Karlsruhe erwarb zur Bekräftigung seiner vorherigen Warnung vor der potentiell fatalen Außenwirkung des eklatanten Rechtsbruchs in Gestalt einer gerichtlichen Corona-Party per E-Mail vom 03.09.2020 noch am 29.09.2020 eigens hierfür ein Exemplar der BILD-Zeitung. Er brachte es mit eben dieser Berichterstattung gut sichtbar an der Außenseite der Tür seines Büros im Sozialgericht Karlsruhe in räumlichen Nähe zum Partybereich an. Von einer unbekannten Person wurde das Exemplar im Flur des Erdgeschosses sodann ohne sowie gegen den Willen des Eigentümers bzw. Berufsrichters für die Dauer der Party entfernt und erst später zerknüllt vor dessen Bürotür abgelegt.
Im selben Erdgeschoss des Sozialgerichts Karlsruhe sind am 29.09.2020 von der illegalen Corona-Party diverse Fotografien entstanden. Auf diesen ist beispielsweise zu sehen, wie dutzende Personen in dessen Innenräumen feiern. Zum Beispiel stehen augenscheinlich um einen einzigen kleinen Stehtisch elf Personen ohne irgendeine Mund-Nasen-Bedeckung dicht gedrängt plaudernd im Kreis mit Sektgläsern, Schulter an Schulter, ohne die Abstandsregeln nach der geltenden CoronaVO BW zu beachten.
Auf eben dieser illegalen Corona-Party am 29.09.2020 hielt ein (abstrakt weisungsgebundenes) dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zugehöriges Mitglied der Justizverwaltung eine Lobrede auf ein anderes anwesendes Mitglied der Landesjustizverwaltung, mit dessen wohlwollenden Beurteilungen einige der übrigen Anwesenden zuvor Stellen auf Lebenszeit an drei unterschiedliche Bundesgerichten erlangt hatten. Zur illegalen Corona-Party war auch eine Richterin mit einer Planstelle am Sozialgericht Karlsruhe angereist, die sich aktuell zur Abordnung beim Justizministerium in Stuttgart befand und inzwischen auch an ein Bundesobergericht abgeordnet ist. Mitfeiern durfte ferner eine im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration des Bundeslandes tätige Person sowie eine damals an ein weiteres Bundesgericht abgeordnete Richterin mit einer Lebenszeiternennung am Sozialgericht Karlsruhe. Außerdem war ein regelmäßiger Sitzungsvertreter des Sozialverbandes VDK anwesend.
Es ist nicht bekannt, dass sich irgendwer wegen der Corona-Party am Sozialgericht Karlsruhe vom 29.09.2020 verantworten musste. Unter Steuerungsgesichtspunkten bestärkte sie die teilnehmenden Berufsrichter, sonstige Gerichtsangehörige und Gäste im Glauben an den faktischen Vorrang von Linientreue und Loyalität gegenüber Recht und Gesetz. Gerichtszugehörige Mitglieder der Landesjustizverwaltung hatten nämlich unmissverständlich durchgesetzt, dass die Infektionsschutzbestimmungen der CoronaVO des Landes Baden-Württemberg am 29.09.2020 absichtlich nicht anzuwenden seien, damit sich die Richterschaft bei Sekt und Häppchen mit der anwesenden Justizprominenz im Rechtsbruch verbrüdern und feiern konnte.“
Die Unterdrückung des Urteils scheint sich auch in jüngster Zeit noch fortgesetzt zu haben. Beim Bericht des Blogs www.gegen-hartz.de am 25. September 2023 war das fragliche Urteil auf der Webseite des Gerichts nicht auffindbar. Erst wenige Tage später konnte 2020News es ordnungsgemäss auf der Gerichtsseite finden.