Ein Kommentar von Erik R. Fisch
Die Welt hat am 5. Mai 2021 ein Interview mit Sabine Riede, Geschäftsführerin der Sekten-Info NRW in Essen, veröffentlicht, in dessen Rahmen sich Frau Riede besorgt über das gewaltige Ausmass der Verschwörungsmentalität in Deutschland äußert. Interessant dabei: die Verschwörungstheoretiker der Frau Riede sind vor allem Querdenker also – ausserhalb der Mainstreampresse – Maßnahmenkritiker. Und noch interessanter: die „querdenkenden“ Verschwörungstheoretiker a.k.a. Maßnahmenkritiker machen laut einer von Frau Riede zitierten Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung bemerkenswerte 30 Prozent der Bevölkerung aus. Antworten, die im Rahmen der Leipziger Autoritarismusstudie erteilt wurden, legen nahe, es könnten sogar bis zu 50 Prozent sein.
Im Welt-Artikel klagt Frau Riede darüber, dass es bereits seit Mai 2020 keinen Tag mehr gebe, an dem sie nicht wegen Problemen mit Corona-Leugnern und „Querdenkern“ beraten habe. Das Volumen der Beratungsgespräche wegen Verschwörungstheoretikern habe sich gegenüber 2019 vervierfacht. Für 2021 sei eine weitere Steigerung zu erwarten.
Seien es zu Beginn der Krise noch Menschen gewesen, die sich über ihre 60- bis 70jährigen Eltern beklagt hätten, so seien es inzwischen auch die Partner jüngerer Menschen, die insoweit Probleme machten. Neben die Mutter, die behaupte, es gäbe Corona nicht oder Corona sei geplant gewesen, neben den Vater, der sage, das alles habe sich Bill Gates ausgedacht, weil er seine Impfstoffe verkaufen wolle, sei nun auch noch der Ehemann getreten, der ganz unvermittelt seine Maske nicht mehr tragen wolle.
„Die Verschwörungstheorien“, sagt Frau Riede der Welt „sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“ Und: „Das sind ja nicht nur Rechtsradikale, sondern auch Linksliberale und solche, die alternativen Heilmethoden und esoterischen Denkmodellen folgen.“
Frau Riede wirkt erstaunt und hilflos beim Beschreiben des Phänomens. Es sei „eine Art Immunisierung, das heißt, sie nehmen keine Kritik mehr zur Kenntnis, akzeptieren keine anderen Informationen“.
Was man tun könne: „alte Hobbys reaktivieren, alte Fotoalben anschauen, sich an schöne Zeiten erinnern, gemeinsam kochen, gemeinsam spazieren gehen“. Und wenn nichts mehr helfe, dann solle man doch „in letzter Konsequenz notfalls die Trennung einleiten“.
Der Welt-Artikel hat eine unfreiwillige Komik. Zwar mühen sich die Welt und Frau Riede redlich, das Sektiererhafte der „Verschwörungsideologen“ zu beschwören. Im Klartext bedeuten die Ausführungen von Frau Riede jedoch nur eins: immer mehr Menschen zweifeln die offizielle Narrative an, unabhängig von ihrem Alter, unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung.
Da nützt es auch nichts, wenn in den Artikel ein Interview eingebunden mit der reisserischen Bildunterschrift: „Im Internet teilen sogenannte Querdenker eine Liste mit den Namen von Politikern, die im Bundestag für die „Bundes-Notbremse“ gestimmt haben. Welche Gefahr geht von dieser „Todesliste“ aus?“