Freitag, November 8, 2024
LänderberichteDeutschlandMultiples Versagen im Ahrtal auf allen Ebenen

Multiples Versagen im Ahrtal auf allen Ebenen

Ein Bericht von Martin Lejeune

Die schweren Hochwasser, die das Tiefdruckgebiet Bernd Mitte Juli 2021 verursachte, kosteten mindesten 242 Menschen das Leben. Zahlreiche Vermisste könnten sich noch in den Trümmern befinden. Staatsanwaltschaft und Parlamente ermitteln derzeit auf Hochtouren, wer für die Opfer verantwortlich ist.

Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss des Landtages von Nordrhein-Westfalen (NRW) zur Aufarbeitung der Hochwasserkatastrophe in NRW soll am 08.10.2021 zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen. Diese sei nach der Plenarsitzung geplant, sagt eine Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion am 05.10.2021. Für den Vorsitz empfiehlt die FDP-Fraktion im Landtag von NRW ihren Abgeordneten Ralf Witzel. Turnusgemäß bekommt die FDP bei diesem Untersuchungsausschuss den Vorsitz. Die Ausschussmitglieder aus allen fünf Fraktionen sollen am 06.10.2021 vom Landtag gewählt werden.

In seiner konstituierende Sitzung am 01.10.2021 hat der «Untersuchungsausschuss Flutkatastrophe» des Landtages Rheinland-Pfalz von verantwortlichen Ministerien, Behörden und anderen staatlichen Stellen die Herausgabe relevanter Dokumente gefordert. In einem ersten Schritt sollen dem Gremium bis zum 15.11.2021 alle «physischen und elektronischen Akten» sowie die digitale Kommunikation zur Flutnacht vorgelegt werden, sagt der Ausschussvorsitzende Martin Haller (SPD).

Die Aufforderung zur Herausgabe der Unterlagen richte sich an alle Stellen, «soweit eine Rechtsaufsicht des Landes» bestehe, so Haller. Bei Akten unter Bundesaufsicht werde der Bund gegebenenfalls um Amtshilfe gebeten. Haller fordert auch die Offenlegung der Handy-Kommunikation der Amtsträger, «alles, was den Untersuchungsgegenstand erhellen kann». Der Ausschuss geht auf einen Antrag der CDU-Opposition zurück.

Gegen den CDU-Landrat Dr. Jürgen Pföhler ermittelt die Staatsanwaltschaft Koblenz wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung durch Unterlassen. Mehr als 290 Hinweise zur tödlichen Sturzflut im Ahrtal hat Oberstaatsanwalt Dietmar Moll bislang bekommen. Sowohl Berichte als auch Fotos und Videos sind beim eigens eingerichteten E-Mail-Postfach [email protected] eingegangen. Das Postfach ist auch weiterhin für Hinweise geöffnet.

Der leitende Oberstaatsanwalt Harald Kruse sagt, Pföhler sei nach der Flut «überwiegend» nicht im Krisenstab gewesen. «Ich weiß nicht, wo der Landrat war», so Kruse. Während Tief Bernd wütete, habe der Landrat im Luxus-Gasthaus Sanct Peter diniert, sagt ein Zeuge.

Der Landrat habe die Einsatzleitung des Krisenstabs am Tage der Flut an Michael Zimmermann, den Brand- und Katastrophenschutz-Inspekteur des Kreises, übergeben, so ein Insider. «Am 14. Juli wurde erst um 23.09 Uhr der Katastrophenalarm ausgelöst, mindestens fünf Stunden zu spät», sagt der Insider. Um 17 Uhr sei der Pegel der Ahr um mehrere Meter gestiegen und bereits die ersten Menschen ertrunken.

Offenbar durfte Pföhler die Verantwortung am Flutabend nicht delegieren. Einer Dienstvorschrift zufolge sei «bei weiträumigen und länger andauernden Großschadenereignissen oder in Katastrophenfällen die unmittelbare Leitung durch die politisch-gesamtverantwortliche Instanz nötig». Die in diesem Falle zuständige Instanz ist der Landrat.

Auch die für den Katastrophenschutz zuständige Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) muss sich für Versäumnisse rechtfertigen. ADD-Präsident Thomas Linnertz entgegnet, er müsse sich auch während der Katastrophe nach der «Dienstvorschrift» richten. Wenn dadurch Menschen sterben, ist man fein raus. Immerhin hat man Dienst nach Vorschrift gemacht. Da kann einem keiner was.

Oberst a. D. Ralph D. Thiele, CEO von StratByrd Consulting, beklagt die miserable Vorbereitung auf die Katastrophe im Ahrtal auf allen politischen Ebenen. Der Innenminister von Rheinland-Pfalz Roger Lewentz (SPD) z. B. habe den Krisenstab in der Flutnacht in der kritischen Phase mehr bei der Arbeit gestört, statt ihn zu unterstützen. Zudem sei Lewentz nicht gut auf den Ernst der Lage vorbereitet gewesen, so Thiele.

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