In einem von der Rechtsanwältin Jessica Hamed geführten Rechtsstreit hat das Verwaltungsgericht Augsburg mit Beschluss von 3. Februar 2021 einem Eilantrag gegen die per Allgemeinverfügung vom Gesundheitsministerium bayernweit angeordnete Testpflicht (Grenzpendler) vollumfänglich stattgegeben.
Der Kläger muss sich daher nicht mehr kalenderwöchentlich einem Test unterziehen. Die Entscheidung gilt zwar zunächst nur für den Antragsteller, RAin Hamed erwartet jedoch, dass der Freistaat die Regelung, die das Gericht derart deutlich beanstandet hat, nun für alle Bürger:innen aufhebt.
Das VG sieht bereits keine ausreichende Rechtsgrundlage und hat ferner erhebliche Zweifel am infektiologischen Nutzen der „kalenderwöchentlichen Testpflicht“. Da das Gericht die Regelung bereits am Fehlen der Ermächtigungsgrundlage kippt, bleiben wichtige Fragen, wie die nach der Vereinbarkeit der Regelung mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit leider unbeantwortet.
Das Gericht führt aus: „Die mit dem Antrag angegriffene Regelung in Nr. 1.2 ist bereits nicht von der gesetzlichen Emnächtigung in § 4 Abs. 1 Satz 2 CoronaEinreiseV gedeckt. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde in begründeten Einzelfällen entweder auf Antrag weitere Ausnahmen bei Vorliegen elnes triftigen Grundes von der Test- und Nachweispflicht erteilen bzw. – wie hier maßgeblich – Aus- nahmen nach Satz 1 einschränken.
Diese Einschränkung hat sich jedoch nach dem ausdrücklichen Wortlaut in § 4 Abs. 1 Satz 2 CoronaEinreiseV auf begründete Einzelfälle zu beschränken. Zutreffend hat deshalb auch der Antragsgegner in seiner Erwiderung vom 2. Februar 2021 darauf hingewiesen, dass die Regelung restriktiv zu handhaben ist.
Es bestehen jedoch erhebliche Zweifel daran, dass der Antragsgegner dieser der Ermächtigungsgrundlage immanenten Beschränkung auf Einzelfälle ausreichend Rechnung getragen hat, nachdem die Allgemeinverfügung für sämtliche Grenzregionen des Freistaats Bayern Geltung beansprucht, die nach Angaben des Antragsgegners 26 Landkreise umfasst.
Damit beschränkt sich die Regelung bei einer Länge der bayerischen Außengrenzen zu Österreich von 818 km und zur Tschechischen Republik von 357 km selbst aber bereits nicht auf begründete Einzelfälle, sondern trifft für alle 26 Landkreise des Freistaats Bayern ohne die gebotene Differenzierung eine inhaltsgleiche Regelung der kalenderwöchentlichen Testpflicht für Grenzgänger.
Die getroffene Regelung in Nr. 1.2 gilt dabei unabhängig von den jeweiligen 7-Tages-lnzidenzen in den jeweiligen grenznahen Landkreisen. Diese pauschale, für alle Grenzregionen Bayerns unabhängig von der jeweiligen 7-Tages“ Inzidenz getroffene Regelung ist nach Auffassung der Kammer von der Ermächtigungsgrundlage in § 4 Abs. 1 Satz 2 CoronaEinreiseV nicht gedeckt.
Die Begründung der AV Testnachweis für Einreisende legt dies auch selbst nahe, indem ausgeführt wird, dass im Zeitpunkt des Erlasses die 7-Tages-lnzidenz nur für 19 der 26 Landkreise der Grenzregion über dem bayernweiten Durchschnitt liegt, insoweit erstreckt sich die Allgemeinverfügung jedoch nicht mehr auf begründete Einzelfälle, wie es die Ermächtigung in § 4 Abs. 1 Satz l CoronaEinreiseV in der gebotenen Restriktion verlangt.
Die in der AV Testnachweis für Einreisende in Nr. 1.2 getroffene Regelung für sämtliche Landkreise der Grenzregion des Freistaats Bayern zu Österreich und der Tschechischen Republik überspannt den bundesgesetzlich gewählten Begriff der „begründeten Einzelfälle“ bei weitem. Zu berücksichtigen ist insoweit nämlich insbesondere dass die vom Antragsgegner in der angegriffenen Nr. 1.2 der AV Testnachweis für Einreisende getroffene Regelung dazu führt, dass Grenzgänger in den grenznahen Regionen des Freistaats Bayern aus einem Hochrisikogebiet bzw. einem Virusvarianten-Gebiet im Sinne des § 3 Abs, 2 der CoronaEinreiseV gleichgestellt werden.
Dies ist in der Pauschalität, wie der Antragsgegner die Regelung auf die gesamten grenznahen Landkreise des Freistaats Bayern bezogen hat, sachlich nicht zu rechtfertigen. Deutlich macht dies insbesondere der Blick auf den hier im Streit stehenden Grenzübertritt des Antragstellers vom LandKreis l.
Da zum Stichtag 2. Februar 2021 die 7-Tages-lnzidenz im Landkreis lediglich 84,17 und 103 betragen hat, ist die mit der AV Testnachweis für Einreisende verbundene kalenderwöchentliche Testpflicht des Antragstellers jedenfalls im Ergebnis unverhältnismäßig. Eine Gleichsteilung mit einem Einreisenden aus einem Hochinzidenzgebiet bzw. ejnem Virusvariantengebiet im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 CoronaEinreiseV ist vor diesem Hintergrund jedenfalls in der Sache nicht geboten, zumal auch der 7-Tages-lnzidenzwert im Landkreis Lindau (Bodensee) aktuell unter dem landesweiten Wert von aktuell 92,59 (2.2.2021…) liegt.
Überdies lässt sich der infektiologische Nutzen der lediglich kalenderwöchentlichen Testpflicht für Grenzgänger nicht mit hinreichender Sicherheit bewerten bzw. ist dieser in der aktuellen gesetzlichen Ausgestaltung tatsächlich zu bezweifeln. Während in der Vorgängerregelung des § 4 Abs. 1 der Einreisequarantäne-Verordnung (BQV), die mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. November 2020 (Az. 20 NE 20,2605 -juris) vorläufig außer Vollzug gesetzt wurde, noch eine wöchentliche Testpflicht für Grenzgänger vorgesehen war, verlangt Nr. 1.2 der AV Testnachweis für Einreisende nur mehr eine kalenderwöchentliche Testung. Zutreffend hat der Antragsteller darauf hingewiesen, dass damit zwischen den einzelnen Testungen auch ein Zeitraunn von nahezu zwei Wochen liegen kann. Dies stellt den Nutzen der Testung, an dem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auch bereits unter der Vorgängerregelung Zweifel angebracht hat, nochmals stärker in Frage. Da die mit dem Antrag angegriffene Regelung in Nr. 1.2 jedoch nach Auffassung der Kammer bereits nicht von der Ermächtigungsgrundlage in § 4 Abs. 1 Satz 2 CoronaEinreiseV gedeckt ist, bedarf dies vorliegend keiner abschließenden Klärung. Gleiches gilt für die ebenfalls vom Antragsteller aufgeworfene Rechtsfrage, ob die angegriffene Regelung gegen die Arbeitnehmerfreizügigkelt in Art. 45 Abs. 2 AEUV verstößt. Auch dies bedarf vorliegend keiner Klärung im Eilverfahren.“