Freitag, November 22, 2024
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Ein Richter hat Angst

Eine Bemerkung von Erik R. Fisch

Die 27. Kammer des Landgerichts Berlin hat im Vorgriff auf den Termin zur mündlichen Verhandlung am kommenden Donnerstag, den 18. November 2021, in Sachen Wolfgang Wodarg (vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Reiner Fuellmich) vs. Volksverpetzter einen vierseitigen Beschluss erlassen, der die Angst atmet, dass es während des Termins zu Ausschreitungen kommen könnte. Warum der Richter solche Angst?

Am 9. November 2021 hatte vor der gleichen Kammer ein Termin zur mündlichen Verhandlung in Sachen Green Mango Karaoke Bar vs. Prof. Drosten stattgefunden, den das Gericht dadurch gesprengt hatte, dass es von Dr. Fuellmich verlangt hatte, eine Maske aufzusetzen, obgleich dieser über ein Maskenbefreiungsattest verfügt. Atteste würden bei ihm generell nicht anerkannt, äußerte der Vorsitzende Richter am Landgericht Thiel mündlich, liess ins Protokoll dann aber aufnehmen, dass er das Attest nicht hätte überprüfen können. Seltsam allerdings, dass er es sich gar nicht erst hatte vorlegen lassen. Das Attest war zuvor von den Sicherheitskräften vor dem Saal in Augenschein genommen und für in Ordnung befunden worden.

Die Nichtanerkennung eines Attests widerspricht der geltenden Rechtslage. Dr. Fuellmich hatte auf Aufforderung des Richters den Gerichtssaal verlassen. Danach hatte der Richter den gegnerischen Anwalt darauf hingewiesen, dass er doch ein Versäumnisurteil beantragen möge, was dieser dann auch anregungsgemäss tat. Ein Versäumnisurteil ergeht, wenn eine Partei vor Gericht nicht erscheint. Da vor dem Landgericht Anwaltszwang herrscht, gilt eine Partei dann als nicht erschienen, wenn ihr Anwalt nicht da ist – oder wie im Fall von Dr. Fuellmich – seine Anwesenheit unmöglich gemacht wird.

Für den Termin am 18. November 2021 hat die Kammer nun mitgeteilt: „Die Prozessbeteiligten und Zuhörer/innen müssen während des Aufenthalts im Sitzungssaal medizinische Schutzmasken (Mund-Nase-Bedeckung) tragen und einen Mindestabstand von einem Meter einhalten. Bei Vorlage eines qualifizierten ärztlichen Attests ist der Aufenthalt im Saal mit einem höchstens 48 Stunden alten negativen PCR-Test möglich. Dieser ist ebenso wie das Attest in Papierform zu den Akten zu reichen.“

Es scheint, als habe Kammer inzwischen selbst erhebliche Bauchschmerzen mit ihrem Sitzungssaalverweis vom 9. November 2021 entwickelt. Wenn mit Attest und Test die Vertretung der Mandantin auch nach Auffassung des Gerichts möglich gewesen wäre, dann hätte die Kammer den Klägerinnenvertreter Dr. Fuellmich auch entsprechend informieren müssen. Das Versäumnisurteil, dass gegen die Green Mango Bar ergangen ist, weil sie – wegen Intervention der Kammer – nicht mehr anwaltlich vertreten war und daher als nicht erschienen galt, hat Kostenfolgen zulasten der Green Mango Bar. Wenn die Kammer hier Hinweispflichten nicht nachgekommen ist, wie zwanglos angenommen werden darf, dürfte sie allein schon deswegen für die Kosten des Versäumnisurteils aufkommen müssen.

Das Gericht hat sich in seinem Beschluss allerdings nicht nur zur Maskenthematik geäußert. Für den Termin am 18. November 2021 scheint es mit Ausschreitungen der Teilnehmenden zu rechnen. Warum nur?

Dem Termin am 9. November 2021 hatten circa 40 Personen beiwohnen wollen, waren aber – bis auf sieben – von den vier Sicherheitsbediensteten zurückgewiesen worden. Alles war friedlich und freundlich verlaufen. Nicht die Spur einer Aggression.

Gleichwohl hat die Kammer für den 18. November 2021 nun ein umfangreiches Sicherheitsprotokoll angeordnet:

I. Allgemeines

Die Sicherheit und Ordnung im und vor dem Sitzungssaal wird von Justizwachtmeistern des Landgerichts Berlin gewährleistet. Die Anforderung und der Einsatz von Polizeibeamten bzw. die Gestattung der Anwesenheit von Polizeibeamten im Sitzungssaal zur Unterstützung der Justizwachtmeister bleibt vorbehalten.

II. Verbotene Gegenstände

Allen Personen ist im Sitzungssaal sowie im Flur vor dem Sitzungssaal das Mitführen von Waffen sowie von Gegenständen untersagt, die geeignet sind,

a) andere körperlich zu verletzen oder zu beschmutzen (u.a. Waffen, gefährliche Chemikalien, Messer o.ä.), gefährliche Werkzeuge (auch Feuerzeuge, Streichhölzer, Kugelschreiber und Füll- federhalter) und Wurfgegenstände (z. B. Flaschen, Dosen, Obst, Eier, Haarbürsten, Farbbeutel, Bücher, Beutel mit Flüssigkeiten),

b) zur Störung der Verhandlung verwendet zu werden (u.a. Trillerpfeifen, Glocken und ähnliche zur Verursachung von Lärm geeignete Gegenstände),

c) die Identifizierung möglicher Störer zu vereiteln oder zu erschweren (u.a. die sogenannte Voll- verschleierung) oder

d) die Sicherheit und Ordnung im Sitzungssaal einschließlich des Zugangsbereichs für die Öffent- lichkeit durch das demonstrative Vorzeigen oder Verbreiten von Symbolen oder bildlichen oder textlichen Darstellungen politischer, weltanschaulicher oder religiöser Bekenntnisse oder Aussa- gen mit Bezügen zum Gegenstand des Verfahrens oder seiner Beteiligten zu beeinträchtigen (u.a. Flugblätter, Transparente).

e) Film- und/oder Tonaufnahmen anzufertigen.

Von diesen Verboten ausgenommen ist das Führen der erforderlichen Dienstausrüstung (ein- schließlich der hierfür dienstrechtlich vorgesehenen Waffenausstattung) durch Justizwachtmeister und Polizeikräfte im Einsatz.

III. Saaleinlasskontrolle

Es wird eine Saaleinlasskontrolle angeordnet, der sich mit Ausnahme der Berufsrichter/innen und der nichtrichterlichen Mitarbeiter/innen des Gerichts sowie der Parteivertreter/innen alle Personen zu unterziehen haben.

1. Ausweispflicht

Bei der Einlasskontrolle haben sich sämtliche, nicht von der Einlasskontrolle ausgenommenen Personen durch einen Bundespersonalausweis, Reisepass oder vergleichbare ausländische Ausweisdokumente auszuweisen.

2. Durchsuchung

Bei der Einlasskontrolle sind sämtliche Personen durch äußerliches Abtasten der Bekleidung ein- schließlich etwaiger Kopfbedeckungen, Durchsicht der mitgeführten Behältnisse sowie unter Zuhilfenahme eines Metalldetektors oder einer Metalldetektorschleuse nach Gegenständen zu durchsuchen, die geeignet sind, zur Störung der Hauptverhandlung verwendet zu werden oder gemäß Nr. II. dieser Anordnung nicht mit in den Sitzungssaal genommen werden dürfen. Das äu- ßerliche Abtasten soll durch gleichgeschlechtliches Kontrollpersonal erfolgen.

3. Hinterlegung von Gegenständen

Beanstandete Gegenstände im Sinne der Nr. II. dieser Anordnung sind in Verwahrung zu neh- men; sie werden mit Ausnahme gesetzlich verbotener Gegenstände bei Verlassen des Gebäu- des wieder ausgehändigt.

4. Verfahren bei Zuwiderhandlungen

Personen, die sich nicht in der vorgeschriebenen Weise ausweisen oder sich weigern, sich ent- sprechend dieser Verfügung durchsuchen zu lassen oder entsprechend dieser Verfügung bean- standete bzw. im Sitzungssaal nicht gestattete Gegenstände zu hinterlegen, ist der Zutritt zum Sitzungssaal zu versagen. Wenn Verfahrensbeteiligte, Zeuginnen und Zeugen, Dolmetscherin- nen und Dolmetscher sowie Sachverständige sich nicht ausweisen können, sich einer Durchsu- chung verweigern oder der angeordneten Verwahrung mitgeführter Gegenstände widerspre- chen, ist unverzüglich eine Entscheidung des Vorsitzenden einzuholen.

IV. Öffentlichkeit

1. Die Sitzung ist öffentlich.

2. Die Zahl der einzulassenden Zuhörer/innen ist durch die pandemiebedingt einzuhaltenden Hygienemaßnahmen beschränkt. Im Saal 143 sind 10 Personen mit Ausnahme der dem Gericht an- gehörenden Personen zugelassen. Die Prozessbeteiligten und Zuhörer/innen müssen während des Aufenthalts im Sitzungssaal medizinische Schutzmasken (Mund-Nase-Bedeckung) tragen und einen Mindestabstand von einem Meter einhalten. Bei Vorlage eines qualifizierten ärztlichen Attests ist der Aufenthalt im Saal mit einem höchstens 48 Stunden alten negativen PCR-Test möglich. Dieser ist ebenso wie das Attest in Papierform zu den Akten zu reichen.

3. Drei Sitzplätze sind bis 15 Minuten vor Beginn der Verhandlung vorzugsweise für sich entsprechend ausweisende Vertreter/innen der Medien reserviert. Bis dahin nicht eingenommene Plätze werden an wartende Zuhörer/innen vergeben, die sonst keinen Einlass finden könnten. Frei werdende Sitzplätze sind unverzüglich weiteren Zuhörerinnen oder Zuhörern zur Verfügung zu stellen, die noch Einlass begehren.

V. Schlussregelungen

1. Das Hausrecht außerhalb des Sitzungssaales und des unmittelbaren Vorraumes übt der Präsident des Landgerichts Berlin aus. Anordnungen des Hausrechtsinhabers bleiben, soweit sie nicht durch die Sitzungspolizei des Vorsitzenden verdrängt werden, durch diese Verfügung unberührt.

2. Aus dem Sitzungssaal hinausgewiesene Personen haben den Sitzungssaal unverzüglich zu verlassen. Der Vorsitzende entscheidet im Einzelfall, ob diesen Personen ein erneuter Zutritt am selben Tag zu verwehren ist.

3. ln Zweifelsfällen der Anwendung und Auslegung dieser sitzungspolizeilichen Anordnung ist die Entscheidung des Vorsitzenden einzuholen.

4. Es bleibt vorbehalten, die getroffenen Anordnungen – auch einzelfallbezogen – ganz oder teilweise aufzuheben oder abzuändern, wenn und soweit die fortlaufend überprüfte Sicherheitseinschätzung bzw. die Ordnung der Hauptverhandlung dies gebieten oder zulassen.

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