In Polen tut sich was. Eine Sammelklage von Gewerbetreibenden auf Schadensersatz wegen der ungerechtfertigten Schliessungen ist bei Gericht angenommen worden. Zudem hat die Regierung die Verträge mit Pfizer einseitig aufgekündigt. Der Impfstoff liegt wie Blei in den Regalen.
Wie das Ärzteblatt berichtete, hat Polen unter Berufung auf die Härtefallklausel die EU darüber informiert, dass es weitere Lieferungen und Zahlungen verweigere. Gesundheitsminister Adam Niedzielski wies am 19. April gegenüber dem Nachrichtensender TVN24 darauf hin, dass es die EU-Kommission sei, die die Verträge mit den Impfstoffherstellern unterzeichnet habe, Polen sei aber gar nicht direkt am Vertrag beteiligt.
Die Polen sitzen laut dem Minister aktuell auf 25 Millionen ungenutzter Impfdosen und sehen einer Lieferung von weiteren 60 bis 70 Millionen Dosen ins Auge. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums sind 51 Prozent der 38 Millionen Polen vollständig geimpft, 59 Prozent habe nur eine Dosis erhalten. In letzter Zeit sei die Impfrate deutlich gesunken. Die finanzielle Lage von Polen ist nicht zuletzt auch wegen der vielen Ukraine-Flüchtlinge angespannt. Ein Versuch, die Abnahmeverpflichtung auf mehrere Jahre zu strecken, sei gescheitert.
Niedzielski meinte dazu: „Wir sind von der Haltung der EU-Kommission und der Impfstoffhersteller sehr enttäuscht.“ EU-Kommissionssprecher Stefan De Keersmaecker hat mitgeteilt, sich für eine pragmatische Lösung einsetzen zu wollen. Allerdings betrifft das Vorgehen der Polen nicht nur den Vertrag mit Pfizer. Sie wollen auch mit den anderen Impfstoffherstellern ins Gespräch gehen und sich so ingesamt aus den Impfstoffabnahme-Verpflichtungen lösen. „Wir haben mit Pfizer begonnen, in den nächsten Tagen und Wochen werden wir mit weiteren Unternehmen sprechen und hoffen, dass sie mehr Flexibilität zeigen. Wenn wir auf der anderen Seite keine Flexibilität sehen, müssen wir die schärfsten rechtlichen Instrumente einsetzen“, so der Minister. Ein Rechtsstreit sei bereits anhängig.
Zugleich ist nun eine Sammelklage von Gewerbetreibenden bei Gericht angenommen worden. Die Unternehmer in Polen, speziell die Betreiber von Hotels und Gaststätten, hatten sich im Rahmen der Lockdowns als besonders findig erwiesen in der Umgehung der rechtlichen Vorgaben. Eine Schlittschuhbahn wurde in einen Blumenladen umgewandelt. Eine Gaststätte stellte ihre Kunden als Wein-Tester. Ein Hotel meldete jeden Gast als Teilnehmer eines Schachturniers an, weil er nur als solcher darin übernachten durfte. In den Skigebieten wurden Parkplätze vermietet, zu denen das Hotelzimmer nur ein Annex war. Es war ein erbitterter Kampf der polnischen Unternehmer ums wirtschaftliche Überleben.
Der Staat hatte teils hohe Bussgelder verhängt, bis zu € 10.000. Allerdings wurden diese Bussgelder im Nachgang in vielen Fällen für rechtswidrig erklärt. Wie der mdr am 12. Februar 2022 berichtete wurde im Fall eines Friseurs, der im Frühjahrslockdown einen Kunden empfangen hatte, die Geldstrafe von 2.400 Euro zurückgenommen. Die Schließung der Wirtschaft sei eine wesentliche Einschränkung der Bürgerrechte und damit – der polnischen Verfassung nach – nur in einem Ausnahmezustand, wie etwa in einem Katastrophenfall erlaubt. Einen solchen hat die polnische Regierung jedoch nie verkündet. Dies dürfte nicht ohne Grund geschehen sein, im Katastrophenfall muss die Regierung die Verluste der Unternehmen automatisch ausgleichen, ohne offiziellen Katastrophenfall müssen sich die Geschädigten ihr Recht mühsam und langwierig vor Gericht erstreiten.
Bei Gericht tut sich nun aber etwas. Wie BEZPRAWNIK am 10. März 2022 berichtet, hatten Hunderte von Unternehmern Schadenersatzklagen wegen der Schließungen eingereicht. Die Generalstaatsanwaltschaft, die die Staatskasse in gerichtlichen Auseinandersetzungen vertritt, hat alles getan, um zu verhindern, dass Sammelklagen vom Gericht geprüft werden. Am 4. März 2022 entschied das Gericht jedoch, die Sammelklage zu prüfen. Angesichts der klaren Haltung der Verwaltungsgerichte zur Unrechtmässigkeit der Bussgelder gibt dies Anlass zu Hoffnung.