Am 14. Mai 2021 hat das Thüringer Oberlandesgericht den Rechtsweg zum Familiengericht wegen einer möglichen Kindswohlgefährdung durch Masken-, Abstands- und Testpflicht in der Schule für unzulässig erklärt. Mit dieser Entscheidung sei das Sensationsurteil aus Weimar aufgehoben worden und, so vermittelt die Berichterstattung in Spiegel, Focus etc., der Weg zu den Familiengerichten verschlossen. Es bestehen jedoch erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung aus Jena. Zuvor hatte bereits das Oberlandesgericht Karlsruhe eine Zuständigkeit des Familiengerichts bejaht. Eine neue Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 17. Mai 2021 bestätigt nun erneut, dass es das Familiengericht ist, das in der Frage einer möglichen Kindswohlgefährung durch die Massnahmen zur Prüfung verpflichtet ist.
Bislang liegt aus Thüringen nur eine Presseerklärung vor. Darin heisst es: „Auf die sofortige Beschwerde des Freistaates Thüringen hat das Thüringer Oberlandesgericht mit Beschluss vom 14.05.2021 den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Weimar vom 09.04.2021 aufgehoben, den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und das Verfahren eingestellt…. Eine Befugnis des Familiengerichts zum Erlass von Anordnungen zur Durchsetzung des Kindeswohls gegenüber Behörden bzw. Beamten dieser Behörden folge insbesondere nicht aus § 1666 Abs. 4 BGB. Behörden, Regierungen und sonstige Träger staatlicher Gewalt seien nämlich keine „Dritte“ im Sinne der Vorschrift, gegen die in Angelegenheiten der Personensorge Maßnahmen getroffen werden könnten.“
Wenn man dieser Argumentation folgen wollte, wären Kinder gegenüber staatlich veranlasstem Unrecht schutzlos gestellt, was bereits das Netzwerk Kritischer Richter und Staatsanwälte KRiStA in seinem Gutachten festgestellt hatte: „Das familienrechtliche Verfahren nach § 1666 BGB ist in mehrfacher Hinsicht durch kinder- und kinderschutzbezogene Besonderheiten geprägt, wozu auch der Beschleunigungsgrundsatz gehört. Zudem sind die Verfahren vor den Verwaltungsgerichten antrags- bzw. klageabhängig ausgestaltet, während der Gesetzgeber bei der Regelung des § 1666 BGB bewusst auf ein solches Erfordernis verzichtet hat. Letzteres ergibt sich aus der Funktion des staatlichen Wächteramtes, dessen Ausübung nicht von der Initiative Privater oder von Behörden abhängen kann (Staudinger/Coester (2020) BGB § 1666, Rn. 261).”
In der neuesten Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg heisst es: „Vielmehr hat das Familiengericht aufgrund der Anregung nach pflichtgemäßem Ermessen Vorermittlungen anzustellen. Besteht tatsächlich ein die Verfahrenseinleitung rechtfertigender Anlass, muss das Familiengericht schliesslich ein (förmliches) Verfahren einleiten.“
Seine eher formale Begründung: mit der Anregung nach § 1666 BGB, dem Anschreiben ans Gericht, sei – anders als bei einem Antrag im Verwaltungsrecht – noch kein gerichtliches Verfahren eröffnet, so dass es nichts gäbe, was ans Verwaltungsgericht verwiesen werden könne.
In beiden Verfahren ist die Beschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen worden.
Die 2020News UG regt derzeit massenhaft Prüfungen auf Kindswohlgefährungen gem. § 1666 BGB an. Jeder kann gefährdete Kinder melden. Die lokale Verifizierung der Meldungen erfolgt in Kooperation mit der Partei dieBasis. Hier nähere Information zu der Aktion.