Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 16. Juni 2021 entschieden, dass Verfahren, die aufgrund einer Anregung gem. § 1666 BGB vor dem Familiengericht anhängig sind, nicht an das Verwaltungsgericht verwiesen werden können. Die Familiengerichte bleiben also zur Entscheidung über eine mögliche Kindswohlgefährung berufen.
In der Pressemitteilung heisst es: „Zwar ist eine Verweisung für das Gericht, an das das Verfahren verwiesen worden ist, grundsätzlich bindend. Das gilt jedoch nicht, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung nicht mehr nachvollziehbar erscheint und offensichtlich unhaltbar ist. Ein derartig qualifizierter Verfahrensverstoß des Amtsgerichts liegt hier vor. Denn die Eltern hatten sich in ihrem Schreiben an das Amtsgericht ausdrücklich darauf beschränkt, ein familiengerichtliches Tätigwerden gegen die Schule auf der Grundlage des § 1666 Abs. 1 und 4 BGB anzustoßen. Unterlassungsansprüche gegen die Schule, über die die Verwaltungsgerichte zu entscheiden hätten, haben sie nicht geltend gemacht. Über Maßnahmen gemäß § 1666 BGB entscheidet das Amtsgericht/Familiengericht jedoch selbständig von Amts wegen. Es hätte keine Verweisung aussprechen, sondern – da familiengerichtliche Anordnungen gegenüber Behörden rechtlich ausgeschlossen sind – entweder auf die Eröffnung eines Verfahrens verzichten oder ein bereits eröffnetes Verfahren einstellen müssen.“
Weiter führt das Gericht aus: „Die trotzdem ausgesprochene Verweisung führt zu Brüchen mit den Prozessgrundsätzen der Verwaltungsgerichtsordnung. Diese kennt keine von Amts wegen einzuleitenden Verfahren, sondern überlässt es dem Kläger bzw. Antragsteller, ob und mit welcher Zielrichtung er ein Verfahren einleiten will. Erwiese sich die Verweisung für das Verwaltungsgericht als bindend, fänden sich die Kinder, für die lediglich bestimmte Maßnahmen angeregt wurden, nunmehr in der Rolle von Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens wieder. Das entspräche weder ihrem Willen noch ihrer vormaligen Stellung vor dem Amtsgericht. Deshalb erweist sich die Verweisung mit den Prinzipien der Verwaltungsgerichtsordnung als schlechterdings unvereinbar und löst für das Verwaltungsgericht keine Bindungswirkung aus.“
Vor diesem Hintergrund dürften sich die Rechtsbeugungsvorwürfe gegen den Weimarer Richter Christian Dettmar, der – ganz im Einklang mit der vorstehenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts – in einem Parallelfall von seiner Zuständigkeit ausgegangen war, endgültig erledigt haben. Richter Dettmar hatte in seiner als Sensationsurteil bekannt gewordenen Entscheidung eine Kindswohlgefährdung durch das Masken- und Abstandsgebot sowie die Testpflicht in zwei Weimarer Schulen bejaht. Erstmalig hatte sich ein Richter auf Basis von Sachverständigengutachten mit der massnahmeninduzierten Gefährdungslage auseinandergesetzt.
Interessant allerdings, dass das Gericht in Gedankenstrichen eingefügt hat, dass „familiengerichtliche Anordnungen gegenüber Behörden rechtlich ausgeschlossen sind“, so dass Verfahren gem. § 1666 BGB einzustellen seien. Wie läßt sich das vereinbaren mit der Einschätzung des Gerichts, dass die Kinder nicht „in die Rolle von Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens“ hineingedrängt werden sollten. Zwar ist richtig, dass es rechtlich unzulässig sein dürfte, durch eine kostenlose Anregung ohne weitere Pflichten sich plötzlich in einem Verfahren zu befinden, das sich allein mit Blick auf prozessuale Aspekte mit seinen Fristen und Antrags- und Vortragspflichten anspruchsvoll entwickeln kann, abgesehen von möglichen Kostenfolgen. Indem das Bundesverwaltungsgericht Anregungen mit Blick auf behördliches Handeln jedoch faktisch versperren will, zwingt er Kinder aber genau in ein solches Verfahren vor dem Verwaltungsgericht. Es verweigert ihnen den unbürokratischen Schutz, den § 1666 BGB ihnen in Umsetzung von EU-Normen gewährt. Folgte man dieser Rechtsauffassung, so wären zum Beispiele sexuelle Übergriffe gegen Kinder in Privatschulen mit dem scharfen Schwert des § 1666 BGB angreifbar und stoppbar in staatlichen Schulen jedoch nicht. Die Opfer sexueller Gewalt in staatlichen Schulen wären auf den langwierigen Verwaltungsrechtweg verwiesen. Mit welcher Argumentation sollte die Diskrimierung der Kinder im öffentlichen Schulweg vertretbar sein?