Von Rechtsanwältin Jessica Hamed
“It really is possible to disagree with someone’s policies without hating them. Grown-ups can do that.”
Molly Ivins
1. Der Rechtsstaat
Dass die Coronakrise aus meinen Blickwinkel als Juristin insbesondere eine Rechtsstaatskrise ist, habe ich in den vergangenen Monaten in meinen Blogbeiträgen und zahlreichen Gerichtsverfahren verdeutlicht. Spätestens der Umstand, dass im November 2020 die Verwaltungsgerichte nahezu unisono die verschiedenen Coronabekämpfungsverordnungen bestätigt haben, obwohl die Rechtsfehler zu diesem Zeitpunkt evident waren (Verstoß gegen die Wesentlichkeitstheorie und den Parlamentsvorbehalt), zeigte, dass das Rechtssystem nicht funktioniert.[1]
Das ist ein hartes Urteil und es gibt bedauerlicherweise keinen Anlass, das Versagen der Judikative schönzureden. Die Verwaltungsgerichte sind ihrer Funktion als Kontrollinstanz der Regierungen im Zusammenhang mit hunderten Eilverfahren gegen Betriebsschließungen- und untersagungen im November nicht gerecht geworden. Statt von Recht und Gesetz ließen sie sich offenbar von gesamtgesellschaftlichen Erwägungen leiten. Diese Aufgabe kommt jedoch den Regierungen und vor allem den Parlamenten zu, die sich in der gesamten Krise in einer unerträglichen Weise ihrer Verantwortung entzogen haben.[2]
Wolfgang Kubicki, einer der wenigen demokratischen Oppositionspolitiker, der von Beginn der Coronakrise an einen kritischen Blick auf die massiven staatlicherseits verordneten Freiheitsbeschränkungen warf, brachte die vorgenannte rechtliche Bewertung des zweiten Lockdowns, der zunächst die verniedlichende Zusatzbezeichnung „light“ trug, treffend am 29.10.2020 auf den Punkt[3]:
„Das nun zwischen der Kanzlerin und den Ministerpräsidenten vereinbarte Maßnahmenpaket zur Corona-Bekämpfung atmet undemokratischen und anti-rechtsstaatlichen Geist.“
Ferner rief Kubicki dazu auf, gegen die beschlossenen Maßnahmen gerichtlich vorzugehen.[4]
Erfolgreich waren diese Verfahren mit wenigen Ausnahmen[5] – wobei auch dort nur „Schönheitsreparaturen“ vorgenommen wurden, ohne an des Pudels Kern vorzudringen – jedoch letztlich nicht. Seitens der Gerichte begnügte man sich damit, „erhebliche Zweifel“ an der Rechtsgrundlage im Hinblick auf den Parlamentsvorbehalt zu formulieren und zu postulieren, es nicht zu vermögen, abschließend über diese Rechtsfrage zu befinden.[6]
Diese Begründung kann nur als vorgeschoben bezwertet werden; selbstverständlich wäre es den Richter*innen in den vergangenen Monaten möglich gewesen, diese nicht besonders komplexe, aber bereits Ende März 2020 aufgeworfene Rechtsfrage[7] abschließend zu klären. Vor diesem Hintergrund ist dem Staatsrechtslehrer Prof. Dr. Uwe Volkmann in folgenden Gedanken zuzustimmen[8]:
„Braucht es wirklich für so harmlose und wenig eingriffsintensive Maßnahmen wie die Befragung oder auch die behördliche Meldeauflage eine eigenständige Ermächtigung, wie sie nun in immer mehr Polizeigesetzen enthalten ist? Aber jedenfalls für die eingriffsintensiven Maßnahmen von den Betriebs- und Geschäftsschließungen über die Veranstaltungsverbote bis hin zu den Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen lässt sich das nicht ernsthaft diskutieren; […]
Dass die Entscheidungen derzeit allesamt noch im Eilverfahren ergehen und unter dessen spezifischen Bedingungen getroffen werden, ist kein Gegenargument: Die zu klärenden Probleme sind juristisch nicht wirklich kompliziert, die Argumente sind alle längst bekannt, bei ihrer Gewichtung wird man in einem Jahr nicht klüger als nach einigen Tagen sorgsamen Überlegens. Und auch der bekannte Topos der ‘summarischen Prüfung‚ dispensiert nicht von der Beantwortung der anstehenden Rechtsfragen.“
Wie konnte das passieren?
In einem offenen Brief zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite habe ich mich Mitte November mit diesen Vorgängen beschäftigt, ohne jedoch eine Antwort auf die Frage, wieso die Parlamente der Exekutive weitestgehend das Feld überließen, gefunden zu haben. Jedenfalls führte dieser Umstand zu einer Verlagerung der Verantwortung auf die Gerichte. [9]
Einen weiteren Grund ist in der Verengung des Meinungskorridors und dem damit einhergehenden gesellschaftlichen Druck auf jede einzelne Person und damit auch auf Richter*innen zu erblicken. Eine freie, unbeeinflusste Entscheidung ist meines Erachtens kaum mehr möglich. Traurige Beispiele hierfür sind die Richter*innen des OVG Bautzen, die verdächtigt wurden, „Corona-Leugner“ zu sein, weil sie aus Sicht der Politik eine missliebige Entscheidung getroffen hatten[10] oder die harsche Kritik des Kanzleramtschefs Helge Braun an gerichtliche Entscheidungen.[11]
Die Gesellschaft ist in einer tiefgehenden Weise, die inzwischen nahezu unüberwindbar erscheint, gespalten. Dieser Umstand geht auch an Richter*innen, die sich mutmaßlich in ihrem Freundes-, Bekannten- und Familienkreis für ihre Entscheidungen rechtfertigen müssen, nicht spurlos vorüber. An niemanden von uns.
2. Verengung des Meinungskorridors
In meinem Blogbeitrag vom 23.03.2020, dem ersten Tag des ersten bundesweiten Lockdowns – ein Begriff, der nunmehr wie selbstverständlich Eingang in unsere Alltagssprache gefunden hat und mit dem zuvor sicherlich kaum jemand etwas anfangen konnte –, habe ich an einen kritischen Diskurs appelliert und meine Sorge um den Rechtstaat zum Ausdruck gebracht.[12] Dort heißt es u.a.:
„Nicht abschließend zu bewerten vermag ich als Juristin, ob am Ende vielleicht doch – zumindest die meisten – ergriffenen Maßnahmen erforderlich waren, gleichwohl oder gerade deshalb bedarf es meines Erachtens eines kritischen öffentlichen Diskurses. Es darf in einem demokratischen Land nicht sein, dass sich nur wenige trauen, Maßnahmen kritisch zu diskutieren und zu hinterfragen. Dass es dieser – wie gesagt wirklich sehr ernstzunehmenden – Krisenlage gelingt, die gesamte öffentliche Aufmerksamkeit zu fesseln und nahezu alle anderen Themen wegzufegen und wir auf einen Zustand zusteuern, in dem Unsicherheit und Angst bald über Wochen, Monate und Jahre (so das o.g. Szenario des Robert Koch-Instituts) aufrechterhalten bleiben, sollte uns zu denken geben. Die Kontrolle über das Virus zu erlangen, bedeutet auch, wieder Kontrolle über unsere Gedanken zu erlangen.“
Wie notwendig dieser Appell war, hat sich für mich bereits Ende März abgezeichnet, indes habe ich es nicht für möglich gehalten, dass wir mehrere Monate danach an einem Punkt stehen, in dem einer breiten Öffentlichkeit der Gedanke, dass „Corona-Skeptiker“ ihr Recht auf eine Intensivbehandlung verwirken, zugänglich gemacht wird, ohne dies zugleich kritisch zu kommentieren. So war im Tagesspiegel am 24.11.2020 u.a. zu lesen[13]:
„Demnach sollen Menschen, die wegen der mutwilligen Missachtung von Abstand- und Hygieneregeln angezeigt wurden, die Verantwortung für ihr Handeln in Engpass-Situationen tragen. Oggier zufolge sollen ‘diese Personen namentlich erfasst werden und im Zweifelsfall kein Intensivbett erhalten.‘“
Mit dieser Ansicht befindet sich der Gesundheitsökonom Willy Oggier in bester Gesellschaft, wie man in den sozialen Medien unter jedem Artikel/Tweet/Post, der sich mit dem Thema Corona beschäftigt – gefühlt 95 % aller Beiträge – eindrücklich nachlesen kann. Dort ist dieser innovative und an Menschenverachtung kaum zu übertreffende Gedanke schon frühzeitig aufgekommen. Besonders schockierend empfinde ich dabei, dass diese Menschen keinen Zweifel daran lassen, dass sie sich auf der moralisch überlegenen und einzig wahren Seite wähnen. Häufig garniert sind solche Beiträge mit dem Hinweis, dass man sich selbst an alle Maßnahmen halte und damit suggeriert, die Personifizierung der märtyrerischen Solidarität darzustellen.
Kurz zu dem Gedanken: diesen zu Ende gedacht müsste man eine Art Schuldprinzip in der Gesundheitsvorsorge einführen. Einen Anspruch auf adäquate Behandlung in Situationen der Überlastung hat dann nur derjenige*, der* seinen Zustand nicht schuldhaft herbeigeführt hat bzw. es nicht schuldhaft unterlassen hat, für die Erhaltung seiner Gesundheit Sorge zu tragen.
Unproblematisch auszusortieren sind dabei dann diejenigen, die sich im Folge von freiwillig eingegangenen Risiken, wie etwa das Fahrrad- oder Autofahren aber natürlich auch jegliche Sportarten, verletzt haben. Wer raucht und/oder Alkohol trinkt und deshalb erkrankt ist auch selber schuld. Ebenso derjenige der/die zu viel isst und sich zu wenig bewegt – wobei natürlich eine verletzungsarme Bewegungsform zu wählen wäre – und deshalb übergewichtig ist. Da Übergewicht zugleich auch ein Risikofaktor für einen schweren Krankheitsverlauf bei COVID-19 darstellt, käme diesem Aspekt in der aktuellen Situation sogar eine doppelte Bedeutung zu[14].
Zu dieser Überlegung passt letztlich auch das rechtlich zu beanstandende Feuerwerksverbot. Das Abbrennen von Feuerwerk erhöht nicht das Infektionsrisiko[15], aber das Verletzungsrisiko und deshalb – um eine weitergehende Inanspruchnahme einer medizinischen Versorgung zu vermeiden – wurde dieses Risiko kurzerhand ausgeschaltete bzw. reduziert, indem vielerorts das Abbrennen von Feuerwerk bzw. – noch effektiver – direkt den Verkauf von Feuerwerkskörpern verboten wurde.
Dahinter steckt letztlich auch die Idee, „unnötige“ medizinische Versorgung zu vermeiden. Unnötig ist dabei all das, was eigenverschuldet ist. Diesen Gedanken fortgeführt, könnte man auch hier auf die Idee kommen, allen nicht zwingend erforderlichen Gesundheitsrisiken mittels Verboten entgegenzutreten. So könnten angesichts des Risikos, einen Verkehrsunfall zu erleiden, alle nicht zwingend notwendigen Autofahrten untersagt werden. Das Thema Übergewicht lässt sich zwar nicht so schnell lösen aber was spricht dagegen, dieses Thema bereits jetzt anzugehen und eine schuldhaft verursachte Adipositas unter Strafe zu stellen?
Es könnte von allen (schuldhaft) Übergewichtigen verlangt werden, dass sie jetzt ihr Gewicht reduzieren, damit sie ihr Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf von COVID-19 verringern. Auch diese Forderung könnte mit einer Selektion bei Behandlung verknüpft werden.
Der nächste Schritt, Menschen direkt zu zwingen, sich „richtig“ zu verhalten, ist nicht mehr fern. In den USA gab es bereits Fälle, dass Frauen in der Schwangerschaft eingesperrt wurden, weil ihr Verhalten geeignet war, das ungeborene Kind zu gefährden[16] – wollen wir eine solche Gesellschaft?[17]
Schließlich ist die Erkenntnis, dass das Gesundheitssystem seit Jahren totgespart wird[18], nicht neu; neu ist nur das aktuell überbordende Interesse der Gesellschaft an dem Thema.
Im Übrigen könnte aber auch die Schlussfolgerung eine andere sein: Reformen zu mehr Leistungsfähigkeit. Muss das Gesundheitssystem besser oder die Gesellschaft gesünder werden? Wünschenswert wäre zweifelsohne beides; letzteres aber ohne Zwang und Strafe, sondern durch die Verbesserung von Lebensbedingungen. So ist es mit Hartz IV-Sätzen beispielsweise nicht möglich, sich gesund und ausgewogen zu ernähren.
Die Gefahr, dass sich derlei vorgenannte Ideen verstetigen und nicht nur jetzt, in einer Ausnahmesituation gelten, liegt ferner auf der Hand. So verwundert es auch nicht zu hören, dass der FDP-Politiker und Arzt Prof. Dr. Andrew Ullmann am 20.12.2020 anregte[19]:
„Grundsätzlich sollten wir darüber nachdenken, ob die AHA+L-Regeln nicht dauerhaft in der Grippesaison gelten sollen“.
Jede*r, der oder die sich kritisch zu Corona-Maßnahmen äußert, begibt sich indes seit Beginn der Krise in die Gefahr, als „Coronaleugner“, „Covidiot“ oder „Leerdenker“ diffamiert zu werden. Reflexhaft grenzen sich daher Menschen, die sachliche Kritik anbringen wollen, im vorauseilenden Gehorsam gegen Querdenker, Reichsbürger und Coronaleugner ab und legen ein Glaubensbekenntnis im Hinblick auf die Pandemie ab.
Problematisch ist allerdings nicht nur die Radikalität der Befürworter*innen der Maßnahmen, sondern auch die der Kritiker*innen. Mit derselben Verve scheuen auch einige Kritiker*innen maßlos überzogenen Vergleiche, wie z.B. mit der NS-Diktatur nicht und halten die politischen Verantwortungsträger*innen für die Ausgeburt der Hölle mit einem teuflischen Plan.
Während die einen im Supermarkt mit Pfefferspray Menschen dazu bringen wollen, den vom Verordnungsgeber vorgegebenen Mindestabstand einzuhalten[20], wähnen sich andere in einer vergleichbaren Situation wie die Widerstandskämpferin Sophie Scholl.[21]
Als Kritikerin der ersten Stunde[22] habe ich in den letzten Monaten erfahren, wie mühsam es ist, sachlicher Kritik zu öffentlichem Gehör zu verhelfen. Der oben dargestellte gesellschaftliche Druck lastet nämlich nicht nur auf den Richter*innen, sondern auch auf Journalist*innen und führte aus meiner Sicht zu einer unausgewogenen Berichterstattung.
Eine „Verengung der Welt“ hat eine Studie festgestellt, die die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF zwischen März und Mai 2020 zur Corona-Pandemie untersuchte.[23] „Die Studie stellt eine Tendenz zur ‘Affirmation zu staatlichen Maßnahmen‘ fest. Regierungshandeln wurde nicht kritisch beleuchtet, sondern durchweg als positiv gekennzeichnet“, weiß der Cicero zu berichten.[24] Der Kommentar im Cicero von Ingo Schünemann schließt mit folgender Feststellung:
„Nein, Medien hätten hier und vor allem jetzt, nach dem ersten Pandemie-Schock, mehr denn je die Aufgabe, Raum für den Diskurs zu öffnen und der Wissenschaft zu ermöglichen, öffentlich um Erkenntnisse zu streiten. Positionen mit derart direkten persönlichen Folgen wie in dieser Pandemie werden dauerhaft nur dann akzeptiert und wirksam sein, wenn die Mehrheit der Rezipienten das Gefühl haben, um sie sei ausgiebig gerungen worden. Sonst geht auch die Wissenschaftskommunikation zur Corona-Pandemie, wie so viele Diskurse zuvor, den Weg der Filterblasenbildung und der Cancel Culture.“
Auch der WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn räumt Versäumnisse bei der Berichterstattung ein. Übermedien berichtete[25]:
„Außerdem verspüre er ein ‘Unbehagen bei dem Gedanken, dass die breite Berichterstattung Fragen zu Grundrechten erst dann gestellt hat, als ein paar Gerichte bereits darüber entschieden hatten. Es wäre aber die Aufgabe von Journalisten gewesen, die Positionen dazu früher und deutlicher abzubilden. In der ersten Zeit der Pandemie habe es ‚eine gesellschaftliche Schockstarre‘ ‘ gegeben, sagt Schönenborn. Wie die Bevölkerung hätten damals auch viele Medien unreflektiert angenommen, was von der Politik entschieden wurde. ‚Auch viele Journalisten waren in dieser Phase Teil des breiten Stroms.‘“
In einer Situation, in der seitens der Politik rasch entschieden werden muss und demzufolge keine breite öffentliche Debatte vorgeschalten sein kann, kommt der Berichterstattung, die einen kritischer Diskurs ermöglichen und begleiten kann, eine bedeutsame Rolle zu. Dieser Aufgabe sind weite Teile der (öffentlichen) Medien nicht gerecht geworden.
3. Solidarität
Der Staatsrechtslehrer Prof. Dr. Josef Lindner befasst sich in einem am 29.12.2020 erschienen Beitrag mit der Frage, ob es für „Geimpfte“ Privilegien geben darf. Hierbei thematisiert er auch den in der Coronakrise inflationär gebrauchten Begriff der Solidarität und führt u.a. aus:
„Im Zentrum steht dabei der Begriff der Solidarität. Besonders der Gesundheitsminister vertritt die These, die geimpften Personen müssten mit den nicht geimpften Personen solidarisch sein und auf Möglichkeiten verzichten, weil auch die letzteren den ersteren gegenüber durch die Einräumung von Priorität bei der Impfung Solidarität gezeigt hätten.
[…]
‘Solidarität‘ dient dem Bundesgesundheitsminister der moralischen Überhöhung eigener politischer und rechtlicher Entscheidungen. Lässt man sich gleichwohl darauf ein und denkt die Spahn´sche Solidaritätsthese konsequent weiter, so dürfte eine Teilhabe geimpfter Personen an einem normalen gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen – kurz öffentlichen – Leben erst wieder möglich sein, wenn die Herdenimmunität gegeben ist. Das könnte im Ergebnis bedeuten: Monatelanger Lockdown für alle, bis etwa 60 Prozent der Bevölkerung geimpft sind. Oder salopp formuliert: Solange nicht alle wieder ins Theater, Schwimmbad und Restaurant dürfen, soll es niemand dürfen.
Abgesehen davon, dass ein solches Verständnis von Solidarität einen nachgerade selbstzerstörerischen Zug von Kollektivkasteiung in sich birgt, der eine Gesellschaft nicht einen, sondern spalten würde (gerade vor dem Hintergrund, dass sich ein erheblicher Prozentsatz der Bevölkerung nicht impfen lassen will oder kann) handelt es sich um eine sehr einseitige Vorstellung von Solidarität, die auch wirtschaftlich nicht durchzuhalten ist. Bereits begrifflich mag nicht einleuchten, weshalb es ‘solidarisch‘ sein soll, deswegen auf einen Theaterbesuch zu verzichten, weil andere Personen das Theater (noch) nicht besuchen können. Ist der Satz ‘was nicht alle haben können, soll niemand haben‘ Ausdruck von Solidarität? Kein Mensch käme ernsthaft auf den Gedanken, ein solches ‚Prinzip‘ in anderen Kontexten zur Anwendung kommen zu lassen, etwa im Organspenderecht, bei der Studienplatzvergabe oder bei der Allokation knapper Rettungsmittel im Rahmen der Triage. Und in der Sache: Was ist mit der Solidarität gegenüber Kulturschaffenden oder Restaurantbetreibern, die deswegen niemanden unterhalten oder bewirten dürfen, weil sie nicht alle unterhalten und bewirten dürfen und deswegen wirtschaftlich nicht überleben? Die bisherige Diskussion zeigt: Moral und unreflektierter Gebrauch moralisch aufgeladener Begriffe und Kategorien sind schlechte Ratgeber in der Krise. Mit Solidarität kann man politisch alles begründen – es kommt nur darauf an, welche Bezugsgruppen man wählt und wie man den Begriff inhaltlich anreichert.“
Rechtlich ist den Ausführungen zwingend zuzustimmen, schließlich muss jeder Grundrechtseingriff gerechtfertigt werden, d.h. er muss verhältnismäßig sein und hierzu braucht es zuvörderst einen legitimen Zweck. Bereits diesen gäbe es hier evident nicht. Auch in der Politik mehren sich die Stimmen in diese Richtung. So äußerte sich der Politiker Friedrich Merz am 31.12.2020 wie folgt[26]:
„Grundrechte sind Individualrechte, aber keine kollektiven Rechte, die der Staat bei Bedarf allen entzieht und nur allen gleichzeitig zurückgewährt, wenn es die Lage wieder erlaubt. Man kann deshalb einer immer größer werdenden Bevölkerungsgruppe von Geimpften, Gesunden und Genesenen nicht pauschal die Grundrechte vorenthalten, weil eine immer kleinere Gruppe nach wie vor durch das Virus gefährdet ist.“
Diesen Gedanken auf jegliche unspezifische, für alle gleichermaßen geltende Maßnahmen übertragen, bedeutet aber auch, dass es keine Rechtfertigung dafür geben kann und konnte, Millionen von sog. Nichtstörern – sprich nicht Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige, Kranke oder Ausscheider – mit Maßnahmen zu belegen.
Der Lockdown ist indes nichts anderes als die Durchsetzung der politischen Entscheidung, nicht gezielt Hochrisikogruppen zu schützen und dem weit überwiegenden Teil der Bevölkerung ein weitestgehend „normales“ Leben zu ermöglichen, sondern Solidarität einzufordern, in dem auch die Rechte jener Menschen beschnitten werden, die kein erhöhtes Risiko für einen schwerwiegenden Krankheitsverlauf[27] aufweisen.
Dass es eine deutliche Korrelation zwischen dem Alter und dem Risiko, einen schweren Krankheitsverlauf zu erleiden, gibt, kann als gesicherte Erkenntnis gelten.[28] Der Altersmedian der Intensivpatient*innen lag im Oktober nach den Angaben des Robert Koch-Instituts bei 72 Jahren; der Interquartialsabstand wurde hierbei mit 61,80 angegeben.[29] „Im Verlauf der ersten Welle wurden für 80% (n=110.789) aller Fälle mit klinischen Informationen keine Hospitalisierung, Pneumonie oder Tod berichtet, sodass hier ein milder Krankheitsverlauf angenommen wird […]. Dieser Anteil war in den jüngeren Altersgruppen am höchsten und sinkt auf 62% bei den 60- bis 79-Jährigen und 38% bei Personen ab 80 Jahren.“[30] Diese Erkenntnisse spiegeln sich auch in dem Alter derjenigen wieder, die dieser Krankheit bedauerlicherweise erliegen. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung war am 30.12.2020 zu lesen[31]:
„Die überdurchschnittlich hohen Sterbefallzahlen im November 2020 sind fast ausschließlich auf eine Zunahme von Sterbefällen in der Altersgruppe der Menschen ab 80 Jahren zurückzuführen. Hier ergab sich ein Plus von 19 Prozent. Die Sterbefallzahlen der unter 80-Jährigen lagen hingegen auf dem Niveau der Vorjahre. Laut den Zahlen des RKI treten Todesfälle durch Covid-19 gehäuft bei Menschen ab 80 Jahren auf.“
Letztlich ist damit auch diese Politik der Solidarität eine falsch verstandene Solidarität, sodass ich nach wie vor an meiner Aussage von März festhalte[32]:
„Momentan ist nahezu die gesamte Bevölkerung ‘weggesperrt‘. Alle ‚wegzusperren‘ statt das ‚Wegsperren‘ auf diejenigen zu beschränken, die wir besonders schützen müssen, ist meines Erachtens eine gefährliche, falsch verstandene Solidarität. Die besonders gefährdeten Personen – insbesondere die Ruheständler*innen – haben nichts davon, wenn die langfristigen Folgen die sind, dass aufgrund massiver wirtschaftlicher Einschnitte, z.B. im Gesundheits- und Pflegesystem, noch weitere Kürzungen vorgenommen werden müssen.“
Diesen Gedanken artikulierte jüngst öffentlichkeitswirksam auch der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer und erklärte in einem Interview gegenüber dem Cicero den Unterschied zwischen sachlich begründeter Differenzierung und Diskriminierung.[33]
Diese aus meiner Sicht falsch verstandene Solidarität – bevor nur ein Teil der Gesellschaft Einschränkungen erfahren muss, werden alle mit Einschränkungen belegt – wird vehement vor allem auch von Vertreter*innen meiner politischen Heimat, der politischen Linken, verteidigt. Gegenansichten werden zuweilen auch in die Nähe eines Senizids gerückt – auch hier lohnt wieder ein Blick in die Kommentare zu Zeitungsartikeln/Tweets/Posts.
Der Schutz der Risikogruppen darf selbstverständlich nicht durch Isolation erreicht werden, sondern es sind kreative Lösungsansätze zu entwickeln. Hierfür ist auch Tübingen als Vorreiter anzusehen; dort ist es Angehörigen der Risikogruppe z.B. möglich, Taxi zu Buspreisen zu fahren[34], wodurch ihr Infektionsrisiko reduziert wird.
Selbstverständlich kann hierbei auch diskutiert werden, ob es umsetzbar ist, Hochrisikogruppen zu schützen, indem ihnen entsprechende Atemschutzmasken (FFP2) zur Verfügung gestellt werden und an deren Eigenverantwortung appelliert wird, sich nicht einem Infektionsrisiko auszusetzen. Dabei ist freilich zu beachten, dass sich Angehörige der Hochrisikogruppen erfreulicherweise häufig auch inmitten der Gesellschaft befinden. Viele Menschen haben (und können?) z.B. nicht darauf verzichtet (n), ihre Kinder bei Oma und Opa abzugeben. Dass derartig familiäre Zusammenkünfte unter Einhaltung sinnvoller Hygieneregeln abgehalten werden, ist sicherlich illusorisch. Auf einen Versuch hat man es indes nicht ankommen lassen. Man blieb bei der Eindämmungsstrategie und weigerte sich in die nächste Stufe einer Pandemiebekämpfung[35], dem gezielten Schutz besonders vulnerabler Gruppen – sprich jenen Menschen in Pflegeheimen und ambulanten Pflegeprogrammen –, einzutreten bzw. diese beiden Strategien sinnvoll und grundrechtsschonend zu kombinieren.
Was ist das Resultat?
Der Schutz der besonders vulnerablen Gruppen ist nicht gelungen[36] und gleichzeitig wurden aufgrund der umfassenden, ungezielten Maßnahmen Kollateralschäden jeglicher Couleur[37] produziert. Letzteres aus Solidarität.
In einem kritischen Beitrag gegen die Forderung nach der Konzentration auf den Schutz von Risikogruppen ist zu lesen[38]:
„Die Forderung, das gesellschaftliche Leben weiter zu öffnen und vor allem die Risikogruppen zu schützen, führt in eine Zweiklassengesellschaft. Die einen dürfen raus, arbeiten, zur Schule, in Kneipen, zum Fußball und ins Kino gehen, die anderen müssen – zu ihrem eigenen Schutz – zu Hause bleiben. Dieses Konzept stellt die Grundwerte unserer Gesellschaft fundamental infrage. Das kann keine adäquate Antwort auf die Pandemie sein.“
Während es häufig vorwurfsvoll heißt, das Virus kenne keinen Urlaub oder keine Feiertage, muss man auch anerkennen, dass es das Virus ist, das diskriminiert und nicht die Gesellschaft. Dieser Umstand ist bei Verhältnismäßigkeitserwägungen zu berücksichtigen. Mithin bei der Entscheidung, 83 Millionen Bürger*innen massiv in ihren Rechten zu beschränken, obgleich nur eine sehr kleine Gruppe – ca. 4,1 Millionen Pflegebedürftige[39] – tatsächlich in einer deutlich erhöhten Weise, die über das allgemeine Lebensrisiko hinaus geht, gefährdet und besonders schutzbedürftig ist.
Bevor es zu Missverständnissen kommt: Ich habe überhaupt nichts gegen Solidarität. Ich habe aber etwas gegen Doppelmoral.
Ich frage mich nämlich wo die Solidarität der Gesellschaft, die nunmehr plötzlich erkannt zu haben scheint, dass 1. Das Leben endlich und 2. Der Tod eines Menschen beklagenswert ist, bleibt, wenn wir den Blick auf die nur zu beweinenden Lebens- bzw. Sterbenswirklichkeit der Menschen an den europäischen Außengrenzen am Mittelmeer richten. Der Jurist und Journalist Heribert Prantl, der im Übrigen auch von Beginn an einen kritischen Blick auf die Corona-Maßnahmen geworfen hat[40], kommentierte am 27.12.2020 die Situation der Geflüchteten u.a. wie folgt:
„Denn die Entschlossenheit der EU geht hier nicht in eine gute, sondern eine furchtbare Richtung. Es ist die Entschlossenheit, nichts Gutes zu tun: Es soll tunlichst nichts passieren, um die grauenvollen Zustände in Flüchtlingslagern in der Ägäis nachhaltig zu verbessern. Die Zustände dort sollen abschreckend und hoffnungslos bleiben. In den gefängnisartigen Lagern leben die Flüchtlinge im Dreck. In Moria 2 stehen viele Zelte unter Wasser; überall ist es voller Schlamm. Die hygienischen Bedingungen, die Versorgungs- und die Sicherheitslage im Lager Kara Tepe auf der Insel Lesbos sind zum Erbarmen; nachts wurde dort ein dreijähriges Kind vergewaltigt. Im Lager Vathy auf Samos werden die Babys und Kleinkinder von Ratten gebissen; die Tetanusimpfung durch Hilfsorganisationen ist dann das Weihnachtsgeschenk.
[…]
Corona hat die Aufmerksamkeit von den Flüchtlingen wegkonzentriert. Die Verhältnisse in den Flüchtlingslagern sind ein Hohn auf die EU-Grundrechte-Charta und die Europäische Menschenrechtskonvention. Die Flüchtlinge werden dem Dreck, dem Coronavirus, den Ratten und dem offenen Meer überlassen. Die EU-Staaten haben alle Rettungsmaßnahmen im Mittelmeer eingestellt.“
Statt sich selbstgerecht als Held oder Heldin zu stilisieren, weil man 2020 „zuhause geblieben ist“[41] sollten wir uns schämen, wie wir mit den Menschen umgehen, die unsere Hilfe am Nötigsten brauchen. Insbesondere wenn man berücksichtigt, dass es uns nicht einmal im eigenen Land gelungen ist, Solidarität zu leben. Flüchtlinge werden auch in der Corona-Zeit in Massenunterkünften untergebracht, ohne Rücksicht auf Risikogruppen.[42] Aber auch der Umgang mit Armut in einer so reichen Gesellschaft wie der deutschen, zeigt, dass Solidarität sehr ungleich verteilt wird.
Wie schafft es diese Gesellschaft einen derartigen, heuchlerischen Abspaltungsprozess zu vollziehen?
Die Antwort könnte möglicherweise darin zu sehen sein, dass 2020 vor allem von einer kollektiven existenziellen Angst überschattet war. Ein ähnliches gesamtgesellschaftliches Phänomen mit vergleichbaren Spaltungstendenzen war zuletzt im Umgang mit der „Flüchtlingskrise“ 2015 zu beobachten.[43]
4. Angst
Es herrscht Angst.
Auf der einen Seite die Angst, selber schwer zu erkranken, die Angst, anderen Menschen die Krankheit oder gar den Tod zu bringen und die Angst, einer Gefahr macht- und kontrolllos ausgeliefert zu sein. An der Stelle ist allerdings darauf hinzuweisen, dass vieles dafür spricht, dass die Angst seitens der politischen Verantwortungsträger*innen bewusst geschürt (um für die als notwendig empfundenen Maßnahmen Akzeptanz zu schaffen) und insbesondere von öffentlichen Medien weitergegeben wurde.[44] Auf der anderen Seite hingegen besteht die Angst vor einem starken Staat, der seine Macht missbraucht. Die Angst vor Zensur. Die Angst vor dem Verlust der freiheitlichen Demokratie.
Die Risikowahrnehmung von Menschen ist höchst irrational. Alltägliche Risiken, wie beispielsweise eine Autobahnfahrt werden u.a. aufgrund eines Gewöhnungseffekts unterschätzt. Außerdem halten wir freiwillig eingegangene Risiken für ungefährlicher als aufoktroyierte. Gemein ist diesen Situationen, dass wir uns in ihnen als kontrollfähig empfinden. In der Psychologie ist dieses Phänomen als Kontrollillusion bekannt.[45] Das führt dazu, dass Menschen jene Risiken, auf die sie keinen Einfluss haben, wie z.B. eine Epidemie subjektiv als bedrohlicher einschätzen als viel wahrscheinlichere Schadenseintritte, die wir selbst beeinflussen können (Lebensstil, Autofahrten usw.).[46]
Nur vor dem Hintergrund des Vorgenannten ist es zu erklären, warum viele Menschen andere Ansichten regelrecht nicht mehr ertragen können, Freundschaften in die Brüche gehen, Familien verstritten sind. Und warum Menschen überzeugt sind, im Besitz der einzig gültigen Wahrheit zu sein und Argumenten bzw. einem sachlichen Austausch nicht mehr zugänglich sind. Sie haben Angst.
Zur Überwindung der gesellschaftlichen Spaltung ist es daher nötig, dass wir anerkennen, dass niemand von uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Besitz der Wahrheit ist.
Hierzu ist es im ersten Schritt erforderlich, zunächst zu erkennen, dass Angst die Kommunikation erschwert und in einem zweiten Schritt die Angst, die irrationale Blüten treibt, abzubauen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die vor allem Politiker*innen und Journalist*innen zu bewältigen haben, da sie aufgrund ihrer Reichweite die Risikokommunikation im Wesentlichen verantworten. Aber es ist auch die Aufgabe jedes Einzelnen. Statt uns gegenseitig zu beschimpfen, sollten wir Verständnis für die Angst des Gegenübers entwickeln.
Vermutlich werden wir erst in einigen Jahren wissen, ob wir es hier mit einem falschen Alarm zu tun hatten, die Situation tatsächlich so ernst war, dass drastische Maßnahmen gerechtfertigt waren oder ob sich die Wahrheit irgendwo in der Mitte befindet. Bis dahin sollten wir lernen, damit zu leben, dass wir nicht so viel wissen, wie wir glauben oder wie wir gerne würden.
5. Schlussbemerkung
Jüngst wurde ich von einem Leser meiner Beiträge und Schriftsätze[47] gefragt:
„Welche Möglichkeiten bleiben uns denn noch, wenn dem Recht in einem Rechtsstaat nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln Geltung verschafft werden kann? Verzweifeln Sie da nicht als Rechtsanwältin?“
Meine Antwort hierauf ist: Der Rechtstaat wird sich erst erholen, wenn ein sachlicher, angstbefreiter Diskurs möglich ist. Das bedeutet, es gilt die Angst zu überwinden, um aufeinander zugehen und ins Gespräch kommen zu können. Eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung löst man nicht, in dem man eine immer größer werdende Minderheit diffamiert und zurücklässt. Genau das hat man zu Beginn der Coronakrise allerdings getan und damit die Angst der „Gegenseite“ befeuert, unmittelbar vor dem Beginn einer Diktatur zu stehen.
Trotz meiner seit neun Monaten anhaltenden weitestgehend erfolglosen Bemühungen für meine Mandant*innen gegen aus unserer Sicht rechtswidrige Maßnahmen, Hausverbote, Bußgeldbescheide, Schulverweise usw. vorzugehen, bin ich nicht verzweifelt. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass es uns gelingen wird – allerdings für viele Menschen bedauerlicherweise zu spät – alle rechtlichen Fragen umfassend zu beantworten. Spahns vielzitierten Satz: „Wir werden in ein paar Monaten einander wahrscheinlich viel verzeihen müssen,“[48] mache ich mir modifiziert zu eigen. Wir werden es ihm und den politischen Entscheidungsträger*innen verzeihen müssen. Ich gehe davon aus, dass mit der nötigen Distanz festgestellt werden wird, dass unser Rechtsstaat in der Coronakrise in einem unerträglichen Maße in Mitleidenschaft gezogen wurde. Aber auch das werden wir verzeihen müssen.
Wir haben gesehen, dass es einer Vielzahl an Richter*innen nicht gelungen ist, sich dem großen gesellschaftlichen Druck aber auch ihren individuellen Ängsten zu entziehen. Das darf sich nicht wiederholen, sodass es mir geboten erscheint, die juristische Ausbildung aber auch die Auswahlprozesse für diese Ämter in den Blick zu nehmen. Dass es Richter*innen nicht gelingt, evidente Rechtsfehler zu benennen und entsprechend zu entscheiden, ist insbesondere für etwaige zukünftige Zeiten, in denen Politiker*innen an der Macht sein sollten, die keine „guten“ Absichten haben, für den Rechtsstaat – und ggf. auch für Menschen – tödlich. Dieser Fehlentwicklung gilt es unbedingt entgegenzuwirken. Der Rechtsstaat ist nur so gut, wie es die Menschen sind, die ihn durchsetzen. Ein Rechtsstaat braucht Richter*innen, die sich nicht scheuen, unpopuläre Entscheidungen zu treffen.
Genauso, wie der Rechtsstaat Menschen braucht, die sich nicht scheuen, ihre Meinung zu sagen. Menschen, die Briefe schreiben, Petitionen und Klagen einreichen, mit Menschen diskutieren, demonstrieren. Die das Risiko eingehen, für ihre Ansicht angefeindet, ausgegrenzt und unter Druck gesetzt zu werden. Mich persönlich hat meine Ansicht vier enge Freundschaften gekostet. Vier Freund*innen, die mein Engagement verurteilen. Derartige Geschichten hat jede*r zu erzählen. Die Spaltung der Gesellschaft ist mutmaßlich bei jedem in das persönliche Umfeld gerückt. Aus dem social distancing, dass eigentlich als physical distancing gedacht war, wurde bedauerlicherweise ein echtes social distancing.“
Fussnoten
[1] Vgl. hierzu Ausführungen in: https://www.ckb-anwaelte.de/download/VG-Mainz-anonym.pdf; https://www.ckb-anwaelte.de/download/2020000931JHJH1073-Oberverwaltungsgericht-LandNordrhein-Westfalen.pdf.
[2] Vgl. hierzu auch: https://www.ckb-anwaelte.de/offener-brief-zum-entwurf-eines-dritten-gesetzes-zum-schutz-der-bevoelkerung-bei-einer-epidemischen-lage-von-nationaler-tragweite-2/.
[4] https://rp-online.de/panorama/coronavirus/corona-lockdown-massive-kritik-an-corona-massnahmen-kubicki-ruft-zu-klagen-auf_aid-54304497; https://www.n-tv.de/politik/Kubicki-raet-zu-Klage-gegen-Corona-Beschluss-article22132134.html.
[5] https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/ovg-saarlouis-kosmetikstudios-und-massage-praxen-erfolgreich-gegen-coronabedingten-schliessung; https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/vgh-muenchen-in-bayern-betrieb-von-fitnessstudios-eingeschraenkt-wieder-zulaessig.
[6] Z.B. https://www.ckb-anwaelte.de/download/Beschluss_Verw.Ger.Mainz.pdf.
[7] https://www.ckb-anwaelte.de/download/Normenkontrollantrag_Hessischer-Verwaltungsgerichtshof.pdf; https://verfassungsblog.de/neue-rechtsgrundlagen-im-kampf-gegen-covid-19/ mwN.
[8] Volkmann, NJW 2020, 3153 ff. beck-online.
[12] https://www.ckb-anwaelte.de/covid-19-krise/.
[14] https://www.helios-gesundheit.de/magazin/corona/news/so-wirkt-sich-covid-19-bei-starkem-uebergewicht-aus/ – hier wird dringend auch eine Gewichtsreduzierung empfohlen; https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogruppen.html.
[15] Vgl. https://verfassungsblog.de/feuerwerksverbote-in-der-pandemie/.
[16] https://read.dukeupress.edu/jhppl/article/38/2/299/13533/Arrests-of-and-Forced-Interventions-on-Pregnant; https://www.researchgate.net/publication/241822002_The_Control_of_Pregnancy_and_the_Criminalization_of_Femaleness.
[17] Um sich eine Vorstellung zu machen, wie eine solche Welt aussehen könnte empfehle ich „Corpus delicti“ von Juli Zeh zur Lektüre.
[18] Z.B.: https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/notaufnahmen-sind-wegen-grippewelle-ueberlaufen-13454864.html; https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/72938/Grippewelle-sorgt-fuer-ueberlastete-Kliniken; https://www.ruhrnachrichten.de/dortmund/intensivstationen-meldeten-nichts-geht-mehr-1269870.html.
[24] https://www.cicero.de/innenpolitik/ARD-ZDF-Corona-Berichterstattung-Oeffentlich-Rechtlich
[26] https://www.n-tv.de/politik/Merz-fordert-mehr-Freiheiten-fuer-Geimpfte-article22263731.html.
[27] Ca. 80 % ; https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsJ/JoHM_S11_2020_Krankheitsschwere_COVID_19.pdf?__blob=publicationFile. Wobei es plausibel erscheint, dass der Anteil unter Berücksichtigung der Dunkelziffer noch deutlich höher liegt.
[28] Vgl. Fn. 21.
[29] https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/41_20.pdf?__blob=publicationFile.
[34] https://www.dw.com/de/wie-t%C3%BCbingen-seine-alten-vor-corona-sch%C3%BCtzt/a-55941233.
[35] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Ergaenzung_Pandemieplan_Covid.pdf?__blob=publicationFile; https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/I/Influenza/Pandemieplanung/Downloads/Pandemieplan_Teil_II_gesamt.pdf?__blob=publicationFile.
[36] Z.B. https://www.tagesspiegel.de/politik/pandemie-trifft-alte-und-kranke-stark-warum-gelingt-der-schutz-vor-corona-in-pflegeheimen-nicht/26722690.html; https://www.morgenweb.de/mannheimer-morgen_artikel,-kommentar-beim-schutz-versagt-_arid,1733663.html.
[37] Statt vieler: https://www.aerztezeitung.de/Politik/Teure-Corona-Kollateralschaeden-in-der-Seele-414447.html; https://www.tagesspiegel.de/politik/kollateralschaeden-der-corona-pandemie-kinder-werden-dick-aeltere-werden-einsam/26605154.html; https://www.focus.de/gesundheit/news/toedlicher-lockdown-untersuchung-an-deutscher-klinik_id_12647079.html.
[38] https://www.riffreporter.de/zukunftsreporter/corona-risikogruppe-schutz/.
[39] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Pflege/_inhalt.html
[41] https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/besonderehelden-1-1811518.
[42] https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/sammelunterkuenfte-fluechtlinge-beres-100.html; https://www.hessenschau.de/gesellschaft/helfer-sehen-versagen-bei-corona-faellen-in-fluechtlingsunterkuenften,kritik-erstaufnahmeeinrichtung-corona-100.html.
[43] https://www.dw.com/de/f%C3%BCnf-jahre-fl%C3%BCchtlingskrise-merkel-wir-schaffen-das/a-54649579.
[44] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2020/corona/szenarienpapier-covid19.pdf?__blob=publicationFile&v=6; vgl. hierzu Ausführungen in einem Eilrechtsschutzverfahren auf Unterlassen gegen das RKI: https://www.ckb-anwaelte.de/download/Antrag_JH_DP_teilanonymVerfoeff.pdf; https://www.ckb-anwaelte.de/download/Erwiderung_ggRKI_Final_Datenschutz.pdf; https://www.ckb-anwaelte.de/download/Erwiderung_ggRKI_Final_Datenschutz.pdf. kritisch hierzu auch bereits: http://www.matthias.schrappe.com/einzel/thesenpapier_corona2.pdf, S. 60 ff.
[45] https://pdfs.semanticscholar.org/136e/9cf6b5a4d17dbe8400fa5d7f4bf3ad01f6ac.pdf.
[46] Vgl. zu alledem auch Peter Brandl, Crash Kommunikation – Warum Piloten versagen und Manager Fehler machen, 5. Aufl. 2018, S. 91 f.; https://www.leopoldina.org/uploads/tx_leopublication/2020_04_13_Coronavirus-Pandemie-Die_Krise_nachhaltig_%C3%BCberwinden_final.pdf S. 9.
[47] https://www.ckb-anwaelte.de/aktuelle-corona-verfahren/.
[48] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/interviews/interviews/focus-110920.html.