2020News liegt der Eckpunkteplan für die Ministerpräsidentenkonferenz am 26. April 2021 zur Vorbereitung einer Rechtsverordnung nach § 28c des Infektionsschutzgesetzes vor.
Danach kann die Regierung „durch Rechtsverordnung für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auszugehen ist oder die ein negatives Ergebnis eines Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorlegen können, Erleichterungen oder Ausnahmen von Geboten und Verboten…“ regeln.
Das Papier stellt klar: „Es handelt sich insofern nicht um die Einräumung von Sonderrechten oder Privilegien, sondern um die Aufhebung nicht mehr gerechtfertigter Grundrechtseingriffe. Solche Ausnahmen stellen somit die verfassungsrechtlich gebotene Verhältnismäßigkeit der Schutzmaßnahmen in ihren verbleibenden Anwendungsbereichen sicher.“
Die „Aufhebung aller Schutzmaßnahmen“ soll laut den Regierungsplänen erst erfolgen, „sobald eine Gemeinschaftsimmunität der Bevölkerung“ vorliegt. Unter Berücksichtigung der neuen WHO-Definition, wonach sich Immunität nur vermittels einer Impfung einstellen kann, heisst dies im Klartext: erst wenn alle Menschen in Deutschland geimpft sind, wird es (vielleicht) zur Aufhebung der Massnahmen kommen.
Hinsichtlich der aktuell möglichen Erleichterungen bzw. Ausnahmen von den Grundrechtseinschränkungen soll laut Eckpunkteplan nach Geimpften, Genesenen und Getesteten unterschieden werden. Angedacht sind dabei folgende Erleichterungen (im Wortlaut):
1. Für die Gruppen der Geimpften und Genesenen werden dieselben Ausnahmen eingeräumt, die in § 28b IfSG bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 100 für Getestete vorgesehen sind. Dies betrifft die Bereiche Ladengeschäfte und Märkte (§ 28b Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 IfSG), Kultureinrichtungen (§ 28b Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 IfSG), Sport (§ 28b Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 IfSG) sowie bestimmte Dienstleistungen (§ 28b Absatz 1 Satz 1 Nummer 8 IfSG).
2. Auch im Bereich von Einreiseregelungen werden für die Gruppen der Geimpften und Genesenen dieselben Ausnahmen eingeräumt, die dort für Getestete bestehen. Dies betrifft die bestehenden Einreiseregelungen nach der Coronavirus -Einreiseverordnung. Absonderungsregelungen (Quarantäne) nach Einreise sollen für die Gruppen der Geimpften und Genesenen nicht mehr gelten. Bei Einreisen aus Virusvarianten-Gebieten können wegen der Gefahr der Einschleppung von gefährlichen Virusvarianten bei Geimpften und Genesenen keine Erleichterungen gewährt werden.
3. Für den Bereich von Kontaktbeschränkungen sollen ebenfalls Ausnahmen für Geimpfte und Genesene vorgesehen werden, insbesondere für Gemeinschaftseinrichtungen wie Alten- und Pflegeheime. Auch im Bereich der Ausgangsbeschränkungen sollen entsprechende Ausnahmen vorgesehen werden.
Maßstab für die Einstufung der Personen in die drei Gruppen Geimpft-Genesen-Getestet sei allein die Wissenschaft, so das Papier: „Für die Beurteilung der jeweiligen Personengruppe spielen immer die neuesten fachwissenschaftlichen epidemiologischen Erkenntnisse die entscheidende Rolle.“
Entscheidend sei dabei, welche Ansteckungsgefahren von den fraglichen Personen ausgingen.
Allerdings scheint es insoweit gar keine klaren Erkenntnisse zu geben: „Da zurzeit bei keiner der Gruppen wissenschaftlich hinreichend belegt ist, dass es einen vollständigen Schutz gibt, muss bei möglichen Ausnahmen im erforderlichen Umfang auch weiterhin noch die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen, wie insbesondere Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, Personenanzahl in geschlossenen Räumen, Abstand zwischen den Personen und Möglichkeit der Frischluftzufuhr mit bedacht werden. Bei einer hohen Inzidenz in der Bevölkerung ist auch das Risiko für Geimpfte und Genesene höher, sich (trotz Impfung oder überstandener Infektion) anzustecken und die Infektion weiterzugeben.“
Im Text heisst es weiter: „Es ist nach aktueller Feststellung des Robert Koch-Instituts davon auszugehen, dass Geimpfte und Genesene ein geringeres Risiko haben, andere Menschen anzustecken, als durch einen Antigentest negativ Getestete.“
Diese Formulierung dürfte Bezug nehmen auf die Stellungnahme des RKI vom 31. März 2021 zur Frage der Bundesregierung “ab welchem Zeitpunkt geimpfte Personen mit so hinreichender Sicherheit nicht infektiös sind, dass eine Einbeziehung in Testkonzepte möglicherweise obsolet wird.” Spätestens 15 Tage nach Gabe der zweiten Impfdosis sei dies der Fall, läßt der RKI-Präsident, Prof. Dr. Lothar Wieler, die Regierung wissen. Aus nicht näher erläuterten Gründen zieht Prof. Lothar Wieler als Vergleichsmaßstab die korrekte Erfassungswahrscheinlichkeit von Schnelltests heran, was bedeuten würde, dass immerhin 42 Prozent der Geimpften weiterhin Virusüberträger sein können. Eine in diesem Zusammenhang von Prof. Wieler bemühte Studie, die beweisen soll, dass “selbst bei Menschen, die trotz Impfung PCR-positiv werden, die Viruslast signifikant reduziert wird und weniger lang anhält (verkürztes Shedding)” erbringt bei genauerer Betrachtung diesen Beleg nicht und kann ihn aufgrund ihres Studiendesigns auch gar nicht erbringen – näher hierzu 2020News-Artikel „Unwissenschaftlich:RKI behauptet, dass Geimpfte keine Virusüberträger sind„.
Dies bedeutet: es gibt keinen sachlichen Grund für die von der Regierung angedachten Erleichterungen für Geimpfte.
Den Geimpften sollen nach den Regierungsplänen für sechs Monate die Genesenen gleichgestellt sein, nach Ablauf von sechs Monaten benötigen die Genesenen allerdings eine Impfdosis, um diesen Status aufrechtzuerhalten.
Genesene sind nach dem Eckpunkteplan alle die Personen, die ein mindestens 28 Tage altes positives PCR-Testergebnis vorweisen können. Bekanntermassen haben PCR-Tests eine hohe Falsch-Positivrate. Dies gilt insbesondere bei einer geringen Prävalenz von SARS-CoV-2 in der Bevölkerung.
Indem sie die Genesenen-Definition – entgegen der WHO-Vorgabe zwei Tests und diagnostizierte COVID-19-Symptomatik – lediglich an einem einzigen positiven PCR-Test festmachen will, schafft die Regierung für die Gesellschaft eine Risikosituation. Falsch-positiv-Getestete Personen würden den Geimpften für einen Zeitraum von immerhin fünf Monaten nach Testung gleichgestellt, obwohl im Zweifel gar keine Immunität gegeben ist. Insoweit ist die Darstellung, dass lediglich eine Impfung ausreichen würde zur Immunisierung nach einem positiven Test als völlig unwissenschaftlich anzusehen.
Als „getestet“ und insoweit privilegiert sollen Personen gelten, für die ein negativer PCR-Test oder Antigen-Schnell- oder -selbsttest vorliegt. Voraussetzung: Durchführung durch geschultes Personal bzw. mit Überwachung durch geschultes Personal. Fraglich erscheint, ob Lehrer und Arbeitgeber etc. insoweit als geschultes Personal anzusehen sein sollen. Der Wortlaut des Plan suggeriert dies, es fragt sich allerdings aufgrund welcher sachlichen Grundlage.
Die Gewährung von Erleichterungen für die Geimpften bleibt allerdings willkürlich: ein Anspruch auf Zugang zu bestimmten Einrichten wie z.B. Museen soll nicht bestehen.
Und: auch die „Privilegierten“ dürfen sich weiter auf Einschränkungen gefaßt machen – z.B. das Maskentragen soll ihnen weiter auferlegt werden können, allerdings nicht (nur) aus gesundheitlichen Gründen sondern z.B. weil es (für die Polizei?) ein organisatorisches Problem sei zu prüfen, ob Abstandsgebote oder die Maskenpflicht – wegen Immunität – nicht eingehalten werden müßten. Bei diesen Geboten läge, so beeilt man sich zu versichern, aber ohnehin nur eine „grundrechtlich geringe Eingriffsintensität“ vor.
Angesichts des Fehlens einer wissenschaftlichen Basis für die Gewährung von Erleichterungen für die Geimpften-Genesenen-Getesteten fragt es sich, ob der Eckpunkteplan nicht einer politischen Agenda zur Erhöhung der Impfbereitschaft der von der angestrebten Impf-Apartheid benachteiligten Nicht-Geimpften entspringen könnte.
Statt nun mit einer Impf-Apartheid zusätzlich Unruhe in die Gesellschaft und die Impfzögerlichen in eine soziale Nötigungslage zu bringen, müßte der evidenzlos fortgeschriebene Zustand einer epidemischen Lage nationaler Tragweite unverzüglich beendet werden.