Donnerstag, April 25, 2024
LänderberichteDeutschland"Die Vorwürfe werden nicht aufrechterhalten"

„Die Vorwürfe werden nicht aufrechterhalten“

Ein Prozessbericht von Rechtsanwältin Viviane Fischer

Heute ist möglicherweise die Kündigungsschutzklage vor dem Landesarbeitsgericht, mit dem sich der Berliner Berufsschullehrer Rüdiger Borrmann gegen seine Kündigung wegen angeblich volksverhetzender Äußerungen gewehrt hatte, mit einem Vergleich zu Ende gegangen. Der vom ersichtlich um Objektivität bemühten Vorsitzenden Richter angeregte Vergleich steht von Seiten der Senatsverwaltung noch unter Vorbehalt. In vier Wochen wird der Vergleich rechtskräftig oder es wird ein Urteil in der Sache gesprochen.

Borrmann unterrichtete am Oberstufenzentrum Kommunikations-, Informations- und Medientechnik. Die Senatsverwaltung hatte dem Lehrer mehrfach gekündigt, weil er nach ihrer Ansicht bzw. der Ansicht der Schulaufsicht mit vier massnahmenkritischen Videos gegen arbeitsvertragliche Loyalitätspflichten verstossen habe. Die Rechtsanwältin des Berliner Senats thematisierte insoweit insbesondere das im Arbeitsvertrag geforderte Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung. Und als es um das Video „Denken verboten“ ging, mit dem Borrmann die an den Berliner Schulen vorgesehene Impfbusse kritisiert hatte, merkte sie an, dass Borrmann auf „geschäftliche Interessen der Senatsverwaltung“ Rücksicht zu nehmen gehabt hätte. Dies ist eine erstaunliche Bemerkung, hinsichtlich derer 2020News den Senat um eine Stellungnahme bitten wird. In dem Video hatte Borrmann Verwunderung darüber gezeigt, dass die Schulsenatorin bei so einer Aktion mitmache und von „Psychoterror und perfidem Zwang“ durch den Berliner Senat gesprochen.

Der Vorsitzende Richter führte dazu aus, dass die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts konstitutiv sei, Kritik grade an Staatsorganen oder Politikern dürfe daher durchaus auch polemisch und überspitzt geäußert werden. Die Grenze seien Beleidigungen, blosse Schmähungen, falsche Tatsachenbehauptungen und Halbwahrheiten. Diese seien nicht mehr vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Eine Beleidigung des Berliner Senats könne per se nicht vorliegen, da Verfassungsorgane als solche nicht beleidigungsfähig sind. Ob eine Beleidigung der Senatorin vorliege, müsse noch näher geprüft werden.

Wiederholt teilte der Vorsitzende Richter mit, dass das zweitinstanzliche Gericht hinsichtlich des Ausgangs des Prozesses völlig offen sei. Es stünde 50:50. Er befände sich ein halbes Jahr vor seiner Pensionierung und hätte sogar Freude daran, gegebenenfalls auch nach seiner Pensionierung noch ein paar Urteile zu schreiben.

Im Video „Sie machen Tempo! Und ich denke…“ hatte Borrmann die bekannte Montage „Impfung macht frei“ mit einem Fragezeichen versehen an den Anfang eines Videos gestellt, das sich mit der Äußerung von Markus Söder auseinandersetzt, dass die Bevölkerung nur durch die Impfung ihre „Freiheiten wiedererlangen“ könnte. Es wurde die Frage in den Raum gestellt, ob die Montage „Impfung macht frei“ als ein eigenständiges Statement zu werten sei, weil sie dem Söder-Zitat im Video vorangestellt sei, oder ob es der künstlerischen Gestaltungsfreiheit unterliege, in welcher Stelle im Video die Montage eingebaut sei, um immer noch als Reaktion auf das Söder-Zitat gedeutet werden zu können. Rechtsanwalt Tobias Gall, der Borrmann vor Gericht vertrat, wies darauf hin, dass nach der Lesart des Bundesverfassungsgerichts bei einer Interpretation eines Kunstwerkes eine „harmlose“, grundrechtskonforme Aussage ausgeschlossen werden können müsse, um sein Unterfallen unter die Kunstfreiheit verneinen zu können.

An dieser Stelle führte Rechtsanwalt Tobias Gall aus, dass der mögliche Bezug zur Nazizeit grade keine Verharmlosung der Nazigräueltaten bedeute, allenfalls habe sein Mandant mahnend auf wahrgenommene Parallelen z.B. der Unterdrückung der Meinungsfreiheit zur Nazizeit mit einem „Wehret den Anfängen“ hinweisen wollen. Eine anwesende Journalistin erwähnte in einer Verhandlungspause, dass eine experimentelle medizinische Behandlung nicht im Einklang stünde mit dem Nürnberger Kodex, der ja im Nachgang zum Horror der Nazizeit entstanden sei. Die „Impfstoffe“ werden von den Herstellern angesichts der unzureichenden Studienlage selbst als experimentell bezeichnet. Auch unter diesem Aspekt sei ein Appell nach dem Motto „Wehret den Anfängen“ durchaus vertretbar im Rahmen einer Meinungsäußerung.

Zum Gegenstand der Verhandlung wurde dann auch noch das Video „Kommt, wir stürzen den Reichstag! 😉 (Zwinkersmiley)„, in dem Borrmann sich gegen die Verleihung des Bundesverdienstkreuz an die Polizisten, die den sogenannten „Reichstagssturm“ abgewehrt hatten, mit dem Hinweis, dass sie nur ihren Job getan hätten.

In dem Video „Borrmann bald wieder im Schuldienst?“ hatte Borrmann ausgeführt, dass die „sogenannte Impfung mehr Leiden und Tote verursacht hätte als die totalitären System von Mao, Stalin und Hitler zusammen“. Rechtsanwalt Tobias Gall stufte diese Äußerung als polemische Zuspitzung ein. Die Senatsverwaltung führte demgegenüber aus, dass eine solche Meinung im städtischen Lehrkörper nichts zu suchen habe. Rechtsanwalt Gall erwähnte, dass dem Land durch die Äußerung kein Schaden entstanden sei, weil zu keinem Zeitpunkt der Eindruck entstanden sei, dass Bormann damit eine offizielle Einschätzung des Senats oder der Schule vermittelt habe. Schaden sei vielmehr seinem Mandanten entstanden, der in der Öffentlichkeit ohne Grund als Holocaustverharmloser dargestellt worden sei.

Das Gericht regte nach Diskussion der gegenseitigen Vorstellungen eine vergleichsweise Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen eine Abfindungszahlung und die Abschlussformulierung an, dass die „Vorwürfe, die zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses geführt hätten, nicht aufrechterhalten würden.“ Die Senatsverwaltung kann den von den Parteien angenommenen Vergleich noch binnen vier Wochen widerrufen.

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